Heidi und die Monster

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Genre: Zombifizierter Klassiker
Autor:
Johanna Spyri und Peter H. Geißen
Verlag:
Goldmann

Stolz und Vorurteil und Zombies“ hat den Anfang gemacht: Man nehme einen historischen Roman und verwandle ihn in eine Monster-Story. Doch während der englische Gesellschaftsroman hierzulande nicht unbedingt jedem geläufig ist, was den Sinn einer Parodie durchaus schmälern kann, nimmt sich der Autor des Romans „Heidi und die Monster“ die beste Vorlagen zu Brust, die es gibt: Die klebrig-süße Geschichte von „Heidi“ aus dem Jahr 1880 gehört zu den bekanntesten Kinderbüchern der Welt.

heidiVorbei die Zeiten, in denen dunkle Tannen und grüne Wiesen im Sonnenschein die heile Welt von Heidi waren. Nun verbreitet sich ein fieser Virus, der die Menschen zu Zombies mutieren lässt, in der Idylle der schönen Alpenwelt. Außerdem muss Heidi erfahren, dass ihre Mutter vor sieben Jahren gar nicht gestorben ist, sondern als Vampirbraut ihr Unwesen treibt. Beherzt greift Heidi zum Pflock und befreit mit Hilfe des Großvaters Almöhi die Untote von der Unsterblichkeit. Doch es gibt jemanden, dem das gar nicht gefällt: Marus, dem Blutsauger. Er war es, der sich die Frau Mama einst mit einem Biss gesichert hat und den es nun nach Rache dürstet für seinen Verlust. Und wenn er die Mutter schon nicht bekommen kann, dann doch vielleicht das Kind. Dumm nur, dass die kleine just von ihrer Tante Dete nach Frankfurt gebracht wird, wo sie in einem herrschaftlichen Haus gut bewacht als Spielkameradin für die gelähmte Klara herhalten muss. Und um als Vampir an die Kleine heranzukommen, ist ein Blutbad wohl unvermeidlich…

Mit Pfyffeli und Pflöckli

Ja, Du hast richtig gelesen, nicht nur Zombies knabbern die Alm-Bewohner an, auch Vampire streifen gleich noch mit durch die Nacht. Und dazwischen versuchen nun Heidi, der Almöhi und natürlich der Ziegenpeter ein halbwegs geregeltes Leben zu führen. Autor Peter H. Geißen nimmt das zuckersüße Mädchen-Universum und bastelt daraus eine Horror-Geschichte, ohne auch nur einmal die absurde Sprache der historischen Vorlage aus den Augen zu verlieren: Zombies heißen „Niänenüütli“, die Vampire sind „Uuputztä“ und diese Biester werden beseitigt mit dem „Pflöckli“ und dem „Füüschtlig“, einem großen Hammer. Die ganze Geschichte wirkt nie aufgesetzt, ist immer aus einem Guss und sogar die Kämpfe mit den Zombies lesen sich herrlich naiv. Beispiel gefällig?

In Heidis Augen war keine Angst, nur die Gewissheit, dass die Tante jetzt kämpfen würde. Heidi kannte das Kurzschwert oder Pfyffeli, wie die Männer im Tal dazu sagten. „Kehr ihnen niemals den Rücken zu!“, rief Dete noch, dann schlitzte sie den Vordersten vom Bauch bis zum Brustbein auf. Mehliger Brei quoll ihr entgegen.
Für den Zweiten und Dritten zielte sie vortrefflich und enthauptete beide mit einem Streich. Da flogen die Köpfe nur so durch die Luft, im kurzen Grase rollten sie bergab, bis sie an einer Mooskuppe ein letztes Mal hochsprangen und in der Tiefe verschwanden. „Gut gemacht!“ Heidi klatschte in die Hände.

Heidi in der großen Stadt

Das hier eine vollkommen überzogene Idylle mit blutgierigen Menschenfressern kollidiert, der Autor dabei aber immer in der Kindersprache bleibt, ist der große Spaß an diesem liebevollen Werk. Glücklicherweise ruht sich Geißen aber nicht nur auf der Naivität der Vorlage aus, sondern entspinnt ein durchdachtes Zombie-Universum, das sehr bald auch durchaus dramatische Züge annimmt. Denn durch Heidis Reise nach Frankfurt ist es nämlich schnell vorbei mit der Idylle. Die Beschreibung der Großstadt, die unter den Heerscharen von Menschenfressern zu leiden hat, ist bedrückend realistisch. Während sich die reichen Häuser mit dicken Mauern und Wachdiensten vor der Bedrohung schützen, muss das Gesindel wie beispielsweise Prostituierte quasi jeden Moment mit ihrem Ableben rechnen. Auch als Ziegenpeter sich aufmacht, Heidi wieder nach Hause zu holen, spart der Autor nicht mit tragischen Momenten, in denen Leute aus ihren Häusern gezerrt werden und eine Mutter mit ihrem Kind auf dem Arm über ein Feld gejagt wird. Durch solche ernsten Ausflüge wirken Heidis naive Aussagen und ihre unauslöschliche Fröhlichkeit dann doppelt absurd.

Natürlich könnte man Peter H. Geißen vorwerfen, dass er seine Idee einfach nur von „Stolz und Vorurteil und Zombies“ abgekupfert und auf ein bekanntes Kinderbuch übertragen hat. Damit würde man ihm aber Unrecht tun, denn man merkt, wie viel Aufwand und Originalität in seiner „Heidi“-Version steckt. Seine Geschichte ist durchdacht, einfallsreich und skurril. Außerdem erzählt er eine schlüssige und spannende Geschichte, die am Ende sogar auf eine Fortsetzung hoffen lässt. In diesem Fall stimmt einmal der Spruch: Lieber gut geklaut, als schlecht erfunden.


Text: S. Werner

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