Mumie

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Wissenswertes über Mumien und Mumifizierung


Hintergrund

Die alten Ägypter glauben an ein Leben nach dem Tod. Zwar variiert die Vorstellung vom Jenseits im Laufe der Jahrhunderte erheblich. Jedoch bleibt eine Annahme durch die gesamte altägyptische Kultur hindurch konstant: Ein Weiterleben nach dem Tod ist ohne den Körper nicht möglich.
Jeden Tag verlässt die Seele – das sogenannte Ba, symbolisiert durch einen Vogel mit menschlichem Kopf – den toten Körper, um umherzuwandern. Würde der Körper verwesen, fände das Ba ihn bei seiner Rückkehr nicht wieder bzw. würde das Ba den Körper nicht erkennen. Aus diesem Grund mumifizierten die Ägypter die Leichname mächtiger und bedeutender Personen, um ihnen auf der Reise ins Jenseits zu helfen.
Im Laufe der Jahrhunderte wandelt sich der Glauben an den konkreten Ort des Jenseits jedoch erheblich und führt zu recht widersprüchlichen Annahmen.

Die Prozedur der Mumifizierung

Dem Toten wird mit einem 40 cm langen Eisenhaken das Gehirn durch die Nase rausgezogen. Damit das Gehirn überhaupt durch die Nase abfließen kann, muss es zunächst mit dem Haken ordentlich durchgerührt werden. Die leere Kopfblase wird dann mit Harzen oder Leinentüchern ausgestopft.

Anschließend werden die Eingeweide entweder durch einen Seitenschnitt oder durch den After entfernt und in speziellen Krügen verwahrt. Das Herz bleibt im Körper, da es als Sitz des Denkens und Fühlens angesehen wird. Dem Körper wird dann mittels Salz die Flüssigkeit entzogen. Die hohlen Körperstellen werden mit Leinen oder Sägespänen gefüllt. Zwiebeln oder Leinen dienen als Augenersatz.
Danach wird der Körper wieder zugenäht und in Leinen gewickelt. Amulette werden angelegt und eine hübsche Gesichtsmaske mit dem Antlitz des Toten in den besten Jahren aufgesetzt. Durch die Verwendung der aromatischen Harze nehmen die Mumien im Laufe der Zeit eine rötlich-braune bis schwarze Färbung an und beginnen, angenehm zu duften.
In der Neuzeit bis hinein ins 16. und 17. Jahrhundert wird in Europa schwungvoller Handel mit den Wickelleichen betrieben. Sie gelten als beliebtes Heilmittel gegen Wunden, Prellungen und Brüche. Noch bis 1924 verkauft der deutsche Pharmakonzern Merck zerriebene Mumien (Mumia vera Aegyptica) als Allheilmittel für etwa 10 Goldmark pro Kilo – das wären heute etwa 80 bis 100 Euro.

Erscheinung


Der deutsche Begriff „Wickelleiche“ hat sich zwar nie durchgesetzt, beschreibt den Zustand aber recht gut. Im Allgemeinen macht eine Mumie, je nach Zustand, einen recht verbrauchten Eindruck. Und einen schlecht gelaunten oft noch dazu. Kein Wunder: Wie würden sie reagieren, wenn man ihnen verspricht, sie auf das Leben im Jenseits vorzubereiten und als erstes das Gehirn mit einem Haken zerkleinert, um es gleich durch die Nase zu ziehen. Das gibt auf unbestimmte Zeit eindrucksvolle Kopfschmerzen. Und dann gibt es da natürlich noch die glücklichen Kandidaten, denen die Gedärme durch den Hintern entfernt wurden. Herzlichen Glückwunsch!
Charakteristisch für Mumien sind neben der notorisch schlechten Laune selbstverständlich die allseits beliebten Leinenumwicklungen mit mehr oder weniger freiem Gesichtsfeld (nichts ist peinlicher als eine Mumie, die mit vollständig verbundenem Kopf ständig gegen die Wand neben der Tür rennt) und fauligem Gebiss (es gibt ja kein Vollkornbrot im alten Ägypten).


Verfilmungen

Gegenüber seinen großen Brüdern, den Vampiren, Werwölfen etc. ist die Mumie filmisch immer ein wenig stiefmütterlich behandelt worden. Vielleicht liegt das daran, dass sie als personifizierte Mullbindenwerbung meist doch erschreckend unbeholfen und eindimensional daherkommt und nach evtl. erfolgreicher Regenerierung verblüffend unspektakulär aussieht. In den erfolgreichen Trash-Blockbustern der 90er Jahre löst man das Problem durch das Auftreten von fleischfressenden Riesenkäfern, kampfwütigen Mumienarmeen, dummen Grabräubern und lustigen Sprüchen in Indiana Jones Manier. Wesentlich subtiler, und zugleich eindrucksvoller, müssen da noch Boris Karloff und Christopher Lee den lebendig mumifizierten (also DAS muss nun wirklich weh getan haben) und aus dem Totenreich wiedergekehrten Imhotep darstellen.

 


Verkleidung

Mullbinden sind Pflicht! Lassen sie sich nicht zur Alternative aus preiswertem Toilettenpapier überreden. Dieses ist oft wenig reißfest und auch sonst nicht sehr strapazierfähig. Außerdem erhöht es die unangenehme Wahrscheinlichkeit, vorwiegend als wandelnder Hygiene- und Apothekenbedarf wahrgenommen zu werden. Und wer jemals beobachten durfte, wie ein betrunkener Werwolf versucht, bei einer Party sein Erbrochenes mit einer Mumie aufzuwischen, der weiß, wovon ich rede.
Ferner ist zu bedenken: Mumien sind tausende Jahre alt! Und selbst, wenn sie diese Jahrtausende ruhend in einer schalldichten Grabkammer vertrödeln, hinterlässt die Zeit deutliche Spuren. Sauen Sie sich ein! Mumien tragen kein leuchtendes Mullbinden-Weiß, sondern neigen mehr zu Gelblich-Braun mit dezenter Erdnote! Dass es sinnvoll ist, Mund und Augenpartie (wahlweise noch die Nasenflügel) frei zu lassen, muss ja wohl nicht extra erwähnt werden.

Wem diese ganze Angelegenheit zu verwickelt ist, (haha) kann natürlich auch als wiederhergestellter Imhotep gehen. Ein paar schicke Augenringe, ägyptisch anmutendes Hütchen und vornehmes orientalisches Gewand sind hierfür ausreichend. Aber denken sie daran: Adel verpflichtet. Orientierungslos und mordlustig durch die Gegend torkeln, is dann nich mehr. Dafür wird aber auch niemand versuchen den Boden mit ihnen aufzuwischen. Es sei denn, sie quatschen die Freundin des behaarten muskulösen Typen von der Seite an.


Weitere Links: Die virtuelle Mumie


Text: A. Hartung

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