Sind Nahtod Erfahrungen ein Beweis für das Jenseits? – Fragen Sie Dr. Kürbis

1

Die Frage:

Lieber Dr. Kürbis,

Sind denn die vielen ähnlichen Nahtoderlebnisse (wie z.B das Licht am Ende des Tunnels) nicht der Beweis für ein Leben nach dem Tod?

Sven

 


 

Die Antwort:

Lieber Sven, 

vielen Dank für Deine interessante Frage. Es gibt tatsächlich Nahtod Erfahrungen (NTE), von denen man immer wieder etwas hört. Wer in seinem Leben regelmäßig Fernsehen schaut oder Bücher liest, wird sicher schon bemerkt haben, dass sterbende oder tote Charaktere oft sehr ähnliche übernatürliche Erlebnisse haben. Dabei lassen sich diese Phänomene grob in drei Hauptkategorien aufteilen: das Licht, die außerkörperliche Erfahrung und die Rückschau.

Beim “Licht” handelt es sich um einen langen Tunnel, an dessen Ende ein wunderschöner, warmer Lichtschein glänzt, der bei den Verstorbenen ein unbeschreibliches Glücksgefühl auslöst. Schon 360 v. Chr. schreibt Plato in seinem Dialog “Politeia” über einen Soldaten, der im Kampf getötet wird, seinen Körper verlässt und auf einen wundervollen Schein zuschwebt. Auch im Kultfilm “Poltergeist” aus dem Jahr 1982 geht es fast ausschließlich darum, dass die kleine Carol Anne in der Geisterwelt gefangen ist und auf keinen Fall in das Licht gehen darf. Bei der außerkörperlichen Erfahrung schweben die Betroffenen über ihrem eigenen Körper und können sich unabhängig von Raum und Zeit bewegen. In manchen Fällen sehen die Betroffenen sogar ihrer eigenen Operation oder Wiederbelebung zu. Bei der “Rückschau” läuft das eigene Leben im Moment des Todes in wenigen Sekunden am inneren Auge vorbei.

Die lebenden Toten

Diese “überirdischen” Erscheinungen sind nicht etwa der Fantasie eines hyperaktiven Drehbuchautors entsprungen, der zu lange in die Sonne gestarrt hat, sondern stammen aus unzähligen, realen Schilderungen von Personen, die auf der Schwelle des Todes standen, durch Heilprozesse oder Reanimation aber wieder ins Leben zurückgeholt wurden. Seit Menschengedenken beschäftigen sich Gläubige und Esoteriker mit der Frage, was es mit diesen, immer wiederkehrenden Erscheinungen auf sich hat. Die Antworten sind erwartungsgemäß ziemlich nebulös und erzählen von höheren Schwingungsleveln, Dimensionsreisen und Astralprojektionen. Am Anfang des 20. Jahrhunderts versucht man zum ersten Mal, sich dem Themengebiet mit Hilfe der “Thanatologie” auf wissenschaftliche Weise zu nähern. Bei dieser Lehre vom Tod und vom Sterben nehmen zwar schon die Erfahrungen aus Biologie, Medizin und Psychologie einen Gewissen Stellenwert ein, durch den Mix mit ethnologischen und philosophischen Theorien ist die gewonnene Erkenntnis jedoch eher unbefriedigend. So sagt die renommierte Sterbeforscherin Elisabeth Kübler Ross: „Der Tod ist ganz einfach das Heraustreten aus dem physischen Körper, und zwar in gleicher Weise, wie ein Schmetterling aus seinem Kokon heraustritt.“ Kühle wissenschaftliche Analysen sehen anders aus.

Flieger, grüß mir das Licht

Nahtod ErfahrungenJe weiter die allgemeinen technischen Entwicklungen voranschreiten, desto größer werden die Erkenntnisse über die biologischen Vorgänge im menschlichen Körper. Ein erster Hinweis auf eine mögliche Ursache für kommt Mitte der 1940er Jahre überraschenderweise aus der Luftfahrt. Da die Piloten zum ersten Mal mit Überschall unterwegs sind, stoßen sie an neue physische Grenzen. Durch die ungeheuren Gravitationskräfte, die bei bestimmten Manövern auf die Flieger wirken, neigen sie dazu, reihenweise in Ohnmacht zu fallen. Damit bringen sie sich selbst und (was viel schlimmer ist) die ganze schöne Technik erheblich in Gefahr. Dieses Phänomen wird bald als G-LOC bezeichnet: der Verlust des Bewusstseins (Loss Of Consciousness) durch Schwerkraft (Gravity).
Die Ursache ist schnell gefunden: durch den ungeheuren Druck wird den Piloten das Blut in die Beine gedrückt, so dass Oberkörper und Kopf „ausbluten“ und ihr Kreislauf zusammenbricht. Viel interessanter sind aber die Begleiterscheinungen. Vor und nach dem Kollabieren leiden die Piloten nämlich an heftigen Wahrnehmungsstörungen: sie sehen helle Tunnel, haben Glücksgefühle und schweben sogar manchmal über dem eigenen Körper, ohne dabei Kerosin zu verbrauchen. Es gibt jedoch keinen Wissenschaftler, der diesen Begleiterscheinungen große Beachtung schenkt, so dass zur Aufklärung noch ein paar Jahre vergehen sollen. Erst 1972, bei der Erprobung des Überschallflugzeugs F-15, stößt der Luftfahrtmediziner James Whinnery aus Zufall darauf, dass die Symptome des G-LOC denen der NTE erstaunlich ähneln.

Schalt mich ein und schalt mich aus

Nach der eingehenden Untersuchung von etwa 700 Fällen von G-LOC gelangt er zu Erkenntnissen, die für Wiederbelebte ebenso gelten wie für Überschallflieger: Wird der Kopf immer weniger durchblutet (durch Druck oder Herzstillstand), werden zuerst die Außenbereiche der Netzhaut nicht mehr richtig versorgt. Dies führt dazu, dass das Sichtfeld an den Rändern zuerst seine Farbe verliert und dann immer dunkler wird. Dies mündet in einer Tunnelvision mit dunklem Rand und hellem Innenbereich: das Licht. Das menschliche Gehirn vergleicht Whinnery mit einem Computer. Nach dem Einschalten braucht der Computer erst einmal einen kurzen Moment, um neu zu booten und sich die wichtigsten Informationen in den Speicher zu laden. So ähnlich ergeht es unserem Hirn, nachdem es aufgrund von Blutverlust mal eben in den Ruhezustand heruntergefahren wurde. Sobald wir wieder Saft haben, startet der Bootvorgang im Kopf, der begleitet ist von Bildern unseres Lebens, die in Sekundenbruchteilen an unserem inneren Auge vorbeisausen: die Rückschau. Diese findet also nicht während des Sterbens statt, sondern erst bei der Reanimation. Zum Thema Außerkörperliche Erfahrung und Glücksgefühle äußerte sich der Mediziner jedoch eher vage, für ihn gehören sie einfach zum Bootvorgang dazu.

Dahinscheiden und Spaß dabei

In diese Bresche springt irgendwann die Hirnforschung, die sich im Rahmen von neurobiologischen Studien näher mit den komplizierten Vorgängen im Gehirn beschäftigt. Dort stößt man auf Endorphine, die auch als “natürliches Opium” bezeichnet werden. Diese Hormone sind für das Glücksgefühl verantwortlich und können uns bei Überdosierung buchstäblich berauschen. In Stress- und Ausnahmesituationen schüttet der Körper diese Endorphine in hohen Dosen aus, was zum Beispiel erklärt, warum Achterbahnfahrten für wahre Hochgefühle sorgen können. Auch Schmerzen werden mit diesem Hormon unterdrückt. Wird der Kopf durch G-LOC/Ableben nicht mehr richtig durchblutet und leiden wir zudem an heftigen Schmerzen, ist dies (verständlicherweise) ziemlich stressig für das Gehirn: es kommt zu Glücksgefühlen, wo sie eigentlich nicht angebracht sind. Einige Durchgeknallte nutzen diesen Umstand übrigens aus, um sich einen zusätzlichen sexuellen Kick zu holen. Um das Lustgefühl während der Selbstbefriedigung zu steigern, unterdrücken sie mutwillig ihre Sauerstoffzufuhr, was aber auch schief gehen kann. 1997 sorgt der Tod des INXS-Sängers Michael Hutchence für großes Aufsehen, als dieser nackt und erhängt in seinem Hotelzimmer gefunden wird.

I Believe I Can Fly

Doch nicht nur Hormone allein spielen eine wichtige Rolle bei NTE, auch bestimmte Hirnareale sind für diese seltsamen Erlebnisse verantwortlich. Man findet heraus, dass der Schläfenlappen (auch bekannt als Temporallappen) anscheinend eine große Rolle beim Zeitgefühl und der Selbstwahrnehmung spielt. Setzt man diese Hirnregion durch elektrische Impulse einem künstlichen Reiz aus, verschwindet das eigene Körpergefühl und man löst sich scheinbar von seiner sterblichen Hülle: die außerkörperliche Erfahrung.
Einige Drogen wie LSD, Meskalin oder Haschisch können unter Umständen ebenfalls zu diesem Reiz führen und den Konsumenten das Gefühl geben, “zu schweben”. Woher dieser Reiz im Moment des Sterbens allerdings genau stammt, konnte man bisher noch nicht detailliert bestimmen. Man vermutet, dass das Hormon Serotonin eine Rolle spielen könnte.

Gott ist tot. Vielleicht.

Also alles nur Chemie? Wir schweben auf Hormonen und schauen durch schlecht durchblutete Augen? Das ist alles? Jein! All diese Erkenntnisse erklären viele der übersinnlichen Phänomene recht logisch. Dennoch gibt es immer wieder verblüffende Schilderungen von Reanimierten, die sich nicht einfach so erklären lassen. So kehren die meisten von ihnen mit völlig neuen Einsichten zurück, die sie für die Verbesserung ihres Lebens brauchen. Diese können teilweise ihrem festen Glauben widersprechen und ihre Persönlichkeit vollkommen umkrempeln.

Zudem sind fast alle über Jahre hinweg von ungeheurer Liebe und Güte durchströmt. Die Reanimierten erhalten zudem oft Informationen, die sie gar nicht wissen können und die sich erstaunlich oft als wahr erweisen. Einige beschreiben zum Beispiel den Reanimationsvorgang in allen Details, so, als hätten sie das Ganze tatsächlich von oben beobachtet. Diesen Schilderungen gehen Mediziner in einem Experiment im Hartford Hospital in Connecticut nach. Sie installieren knapp unter der Zimmerdecke ein Display, das nach oben zeigt und zufällige Worte abbildet. Leider kann innerhalb eines Jahres keiner der Wiederbelebten von einem Display berichten…

Man kann also zusammenfassen: Die ähnlichen Nahtod Erfahrungen beweisen zwar nicht unbedingt das Jenseits, die vielen mysteriösen Schilderungen der Wiederbelebten geben allerdings immer noch Rätsel auf. Was auch immer uns erwartet, wir werden es sowieso alle irgendwann erfahren.


Dein Kürbiskönig


Du hast auch ein Frage an Dr. Kürbis? Dann schreibe eine Mail an: frage@halloween.de


Vorheriger ArtikelHinter den Kulissen der Angst
Nächster ArtikelSpiel mit Hirn: Wir verlosen 3x “Zombie Würfel”

1 Kommentar

Hinterlasse eine Antwort

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Diese Website ist durch reCAPTCHA geschützt und es gelten die Datenschutzbestimmungen und Nutzungsbedingungen von Google