Fragen Sie Dr. Kürbis! – Teil 16: Warum reiten Hexen auf Besen?

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Die Frage:

Lieber Dr. Kürbis!

Warum – um alles in der Welt – fliegen Hexen eigentlich auf einem Besen? Hat das einen bestimmten Hintergrund?

Bin gespannt auf die Antwort,
Marlen


Die Antwort:

Liebe Marlen,

wie Du Dir vielleicht denken kannst, habe ich die eine oder andere Hexe in meinem Bekanntenkreis und verfüge somit über Informationen aus erster Hand. Eigentlich. Sie erzählen einem erst ganz freimütig von der Herkunft ihres Namens und wie dieser letztlich zum Hexenbesen führt, sind dann aber auch plötzlich indigniert und verweigern jede weitere Auskunft, wenn man es mal etwas genauer wissen möchte. Ich meine, nun auch herausgefunden zu haben, warum…

Doch zunächst einmal zu dem Offensichtlichen, der Verknüpfung des Ausdrucks Hexe mit der mittelalterlichen Vorstellung einer Frau, die auf ihrem Besen zum Hexensabbat reitet. Was sich bekanntlich auch über die Märchen bis in die heutige Ikonografie von Comics und Filmen festgesetzt hat. An Hexen hat man schon vor Urzeiten geglaubt, ihre Wurzeln haben sie tief im vorchristlichen Götterglauben geschlagen und auch Einflüsse aus den keltischen und germanischen Kulturen haben zur Entstehung des Hexenmythos beigetragen. Allerdings waren sie nie per se böse, sondern, wie alle anderen zauberkundigen Wesen auch, stark den heilenden Kräften der Natur verpflichtet. Und diese duale Bedeutung findet sich eben auch im Ursprung des Begriffs: „Hexe“ geht auf das althochdeutsche „hagzissa“ oder „hagazussa“ zurück, was sich wiederum zu „hecse“ und „hesse“ weiterentwickelt hat (sowie „hag“ im englischen Sprachraum). Während der erste Wortteil mit Hecke, Zaun oder Gehege übersetzt wird, könnte der zweite Teil entweder vom germanisch-norwegischen „tysja“ („guter/böser Geist“) oder schlichtweg von „sitzen“ herzuleiten sein. Die Hexe ist demnach eine „Zaunsitzerin“, was soviel bedeutet wie, zwischen den Welten stehend, und somit eine Grenzgängerin. Da aber Hexen angeblich eben auch übernatürliche Kräfte besitzen und solcherlei Zauber bereits in der Bibel verdammt wird („die Zauberinnen sollst du nicht am Leben lassen“, 2. Buch Mose), wurde im Zuge der Christianisierung die Theorie vom Teufelspakt entwickelt. Fortan konnten die nun als ausschließlich böse stigmatisierten Hexen munter verfolgt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden. Und es ist auch der blühenden Fantasie wahnhafter Wortführer der Inquisition und Hexenverfolgung zu verdanken, dass über die Zeit aus den ursprünglichen Zäunen, Pfählen oder Hecken Gebrauchsgegenstände wie Besen, Ofengabeln, Stöcke und Holzscheite wurden.

„So also die Hexen, sobald sie sich mit ihren Salben eingerieben haben, auf Stöcken, Gabeln oder Holzscheiten zum Sabbath zu gehen, indem sie entweder einen Fuß darauf stützen und auch auf Besen oder Schilfrohren reiten, oder indem sie von entsprechenden Tieren, männlichen Ziegenböcken oder Hunden, getragen werden …” (Martin Anton Delrio, „Disquisitionum magicarum libri sex“, 1599)

So weit, so harmlos. Was nun aber meine eingangs erwähnte tiefere Betrachtung angeht, so konnten mir moderne Wissenschaftler auf die Sprünge helfen, namentlich Anästhesisten! Denn findige Exemplare dieser betäubungsmittelkundigen Ärzte haben sich schon vor einigen Jahren die zeitgenössischen Protokolle der Hexenverfolgung vorgenommen und explizit die Passagen untersucht, in denen die im Zitat oben erwähnten Hexensalben vorkamen. Demnach fand bereits ein gewisser Andrés De Laguna (1499 – 1559) heraus, dass die wichtigsten Komponenten dieser Salbe, die bei der Hexerei bezichtigten Frauen sichergestellt worden war, Atropine waren. Dies sind giftige Alkaloide die von Nachtschattengewächsen herrühren, insbesondere den Alraunen (Mandragora), dem Stechapfel (Datura stramonium) und der Schwarzen Tollkirsche (Atropa belladonna). Aus pharmakologischer Sicht macht es nämlich durchaus Sinn, diese halluzinogenen Stoffe mit fetthaltigen Bestandteilen zu einer Salbe zu komponieren, da die Alkaloide so durch die Haut in den Körper dringen können. Dieses Gemisch – auf den Lendenbereich oder die Genitalien aufgetragen – solle beim Benutzer zudem die Illusion vermitteln, zu schweben oder durch die Lüfte zu fliegen. Das behaupte nicht ich, sondern bereits Johann Weyer (1515–1588) in seinem Werk „De Praestigiis„.

Warum diese kräuterkundigen Frauen nun auch Besenstiele und Stöcker mit dieser Spezialsalbe eingerieben haben, diese Schlussfolgerung, liebe Marlen, überlasse ich dann doch lieber Deiner Fantasie. Es mag aber der Grund sein, warum sich die Hexen aus meinem Bekanntenkreis beharrlich darüber ausschweigen…

Dein Dr. Kürbis



Du hast auch ein Frage an Dr. Kürbis? Dann schreibe eine Mail an: frage@halloween.de


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1 Kommentar

  1. „…mittelalterlichen Vorstellung einer Frau, die auf ihrem Besen…“, nach diesem Artikel, und die meisten stimmen damit überein, ist das Blödsinn. So wenig wie Hexenverfolgungen hat es im Mittelalter auch Hexenbesen gegeben.

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