Was ist die Geisterstunde? – Fragen Sie Dr. Kürbis!

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Die Frage:

Sehr geehrter Dr. Kürbis!

Was ist die Geisterstunde? Warum kommen die Geister eigentlich immer um Punkt 24 Uhr hervor? Warum nicht früher? Warum nicht später? Warum nur für eine Stunde?

Herzlichst, Ihre Cornelia

 


Die Antwort:

 

Liebe Cornelia,

der Schluss, dass in der tiefen Nacht, wo der Abstand zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang am größten ist, irgend etwas nicht mit rechten Dingen zugeht, liegt nahe. Denn lange bevor die Menschen definierten, dass Mitternacht der Zeitpunkt ist, an dem die Sonne den tiefsten Stand ihrer Bahn am Himmel durchläuft, wurden Überlegungen angestellt, wann der alte Tag endet, der Neue beginnt und was es mit der  Zeit dazwischen auf sich hat. Die Sonne, wichtigster Indikator der Zeit, fehlte, ebenso wie künstliche Beleuchtung.

Der alte Tag war bereits verstorben, der Neue noch nicht geboren, alles war nachts irgendwie undefiniert. Allnächtlich durchwanderte der Mensch eine Grenze zwischen Tag und Nacht, Diesseits und Jenseits, Leben und Tod, die nicht unbedingt einladend und behaglich wirkte.

Die Signifikanz dieser Stunde spiegelt sich auch in der Kultur wider: In „Die tragische Historie vom Doktor Faustus“ (Christopher Marlowe) erscheint der Teufel dem Protagonisten zur Mitternacht und verschleppt ihn in die Hölle. William Shakespeare eröffnet sein wohl bekanntestes Stück „Hamlet“ mit dem Erscheinen des ermordeten Vaters Hamlets um Mitternacht.

Aus diesen Voraussetzungen ergab sich auch der Tag-Nacht-Rhythmus der Menschen: Man erhob sich im Morgengrauen und ging entsprechend früh, irgendwann bald nach Sonnenuntergang, wieder schlafen. Das war zweckmäßig und praktisch.

Und es hatte zur Folge, dass in der Mitte der Nacht die meisten Leute tatsächlich mehr oder weniger süß träumend dahin schlummerten – man wollte ja am nächsten Morgen ausgeschlafen sein. Von ein paar Mönchen und anderen Taugenichtsen abgesehen, waren also in DenAltenZeiten™ um Mitternacht nur sehr wenige tatsächlich wach, in aller Regel unfreiwillig.

Stell Dir vor: Du liegst im Bett und kannst nicht einschlafen. Draußen ist alles totenstill, die Sicht ist durch die Dunkelheit stark eingeschränkt. Alltägliche Objekte erscheinen merkwürdig verändert und zu allem Überfluss regelt Dein Körper die anderen Sinne hoch und macht die Maus zum Elefanten. Statt kleiner Nagetierfüßlein hörst Du plötzlich Raubtiere auf dem Dachboden hin und herwandern, der Holzwurm im Gebälk hört sich an, als würden sich klauenbewehrte Pranken durch das Holz fräsen und jeder Windhauch wird zur gespenstischen, eiskalten Berührung.

Kurz: Deine Psyche wird in einer ungewohnten Situation mit stark veränderten sensorischen Reizen konfrontiert. Gelingt deren Interpretation nicht, schleichen sich Unbehagen und Angst ein und Du beginnst, buchstäblich Gespenster zu sehen. Hallo Geisterstunde! 

Natürlich ist es total abwegig zu glauben, dass, nur weil Dir der eigene Verstand übel mitspielt, Gespenster lediglich im Zeitraum von 0 bis 1 Uhr (je nach Region auch 23 bis 0 Uhr) erscheinen. Geister kommen und gehen grundsätzlich wann sie wollen. Manchmal sind sie so an den regelmäßigen Lebenswandel ihres ehemaligen Ichs gewöhnt, dass sie auch im Jenseits brav und pünktlich ihrem Terminkalender folgen. Andere machen das je nach Lust und Laune. Wieder andere sind faul und/oder höflich und wollen erst angerufen und eingeladen werden.

Darum solltest Du Dir im Falle einer geisterhaften Erscheinung oder eines supernaturalen Vorkommnisses erst einmal darüber klar werden, ob nur eine harmlose Sinnestäuschung vorliegt, oder ob Du Dich tatsächlich in Gegenwart eines Spukgespenstes befindest. Für den Fall der Fälle empfehle ich daher dringend die Lektüre meiner Artikel „Wie kontaktiert man Geister“ und (falls die jenseitige Kreatur nicht so freundlich gesinnt ist) „Wie wird man Exorzist?„.

 

Dein Dr. Kürbis


Du hast auch eine Frage an Dr. Kürbis? Dann schreibe eine Mail an: frage@halloween.de


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