Tödliche Pflanzen, giftige Mädchen und freundliche Werwölfe im Gruselkabinett

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Eigentlich möchte der junge Medizinstudent Giovanni Guasconti das düstere Zimmer lieber nicht mieten. Aber die Wirtin kann ihn doch überzeugen, indem sie auf den zum Zimmer gehörigen Balkon verweist. Von diesem hat man den Blick in einen prachtvollen, aber von hohen Mauern umgebenen, Garten. Dort blühen die seltsamsten Pflanzen in leuchtenden Farben. Und manchmal geht die schöne Tochter des eigenwilligen und zurückgezogen lebenden Wissenschaftlers Rappaccini spazieren und liebkost die seltsamen Gewächse. So mancher junge Mann würde einiges dafür geben, mit dem jungen Studenten zu tauschen. Natürlich erliegt Giovanni sofort den optischen Reizen der jungen Dame. Gleichzeitig fühlt er sich aber auch von ihr abgestoßen. Irgendetwas Seltsames umgibt sie. Schmetterlinge, die sie umflattern, fallen tot zu Boden. Die Blumen, die Giovanni ihr schenkt, scheinen in ihrer Hand zu verwelken. Nur die giftigen Blumen, allesamt bizarre Neuzüchtungen ihres Vaters, scheinen ihren Berührungen zu widerstehen. Eines Tages „findet“ die Haushälterin den Schlüssel zur verschlossenen Tür, die in den geheimnisvollen Garten führt. Natürlich versucht Giovanni daraufhin, dem Geheimnis auf den Grund zu gehen.

Die Gruselkabinett-Folge “Rappaccinis Tochter“, nach einer Erzählung von Nathaniel Hawthorne, vereint alle Stärken der mehrfach preisgekrönten Hörspielserie. Eine düstere und originelle Geschichte, atmosphärisch dicht mit exzellenten Sprechern umgesetzt. Etwas weniger Geschick bei der Auswahl des Stoffes bewies man dagegen mit “Besessen“ von „Conan“-Autor Robert E. Howard für die Folge 63. Auch hier ist die Umsetzung zwar gewohnt überzeugend, die Geschichte aber eine so durchschnittliche Werwolf-Geschichte, dass man am Ende die CD noch dreimal ungläubig umdreht, weil man nicht glauben kann, dass das jetzt schon alles war. Auch wenn die Idee, die Geschichte während eines Sklavenaufstandes in den westafrikanischen Kolonien spielen zu lassen, für einen atmosphärischen Unterhaltungswert sorgt und der Geschichte Originalität verleiht. „Besessen“ ist vor allem für Gruselfreunde interessant, die total überraschende und sekundenschnelle Mondaufgänge lieben.

Nun ist die literarische Fallhöhe zwischen dem Pulp-Autor Robert E. Howard und dem meisterhaften Schriftsteller Nathaniel Hawthorne, dem Melville seinen „Moby Dick“ widmete, natürlich auch beträchtlich und genau diese Vielfalt macht ja oft den Reiz der Serie aus: Das Pendeln zwischen großer, verstörender Horrorliteratur und fröhlichen Trash-Granaten. Auf Rohrkrepierer wie “Besessen“ könnte man dabei aber gut verzichten. Wie dagegen Autor Marc Gruppe immer wieder kaum bekannte Perlen der Schauerliteratur, wie zum Beispiel “Rappaccinis Tochter“, ausgräbt und zu kleinen Hörspielperlen verarbeitet, kann man nicht genug loben.

Bevor man noch die letzten Notizen von eher mäßig begabten Gruselautoren wie Stoker, Doyle oder eben Howard zu Hörspielen verarbeitet, wäre es da nicht langsam an der Zeit, sich den Werken von Ambrose Bierce und Algernoon Blackwood anzunehmen? (Oder gibt es da rechtliche Probleme? Anders ist diese auffällige Abwesenheit ja kaum zu erklären).

Als nächstes sind auf jeden Fall zwei vielversprechende Folgen angekündigt. Freuen wir uns auf Der Schreiende Schädel“ von Francis Marion Crawford (der uns mit “Die obere Koje“ bereits eines der gruseligsten Highlights der Serie bescherte), sowie “Gesellschafterin gesucht“ von Mary Elizabeth Braddon. Erscheinungstermin dieser Folgen ist der 18. Mai.


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