Die Untoten und die Philosophie

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Genre: Philosophischer Ratgeber
Autor: Richard Greene & K. Silem Mohammed (Hrsg)
Verlag: Klett Cotta

Was ist am Untotsein eigentlich schlecht? Was unterscheidet einen Untoten von einem richtigen Menschen? „Dieses Ding ist nicht mehr deine Mutter!“ Warum ist sie es nicht mehr? Und was ist sie denn dann?

Sogar in Zombiegehirnen sind offensichtlich bestimmte Erinnerungs- und Gedankenfragmente erhalten geblieben. Wie sonst wäre es zu erklären, dass die Zombies in „Dawn of the Dead“ ein Kaufhaus aufsuchen. In „Shaun of the Dead“ ist die Grenze noch fließender. Bereits viele der Lebenden scheinen sich bereits zombifiziert zu verhalten. Zum richtigen Zombie ist es da nur noch ein kleiner Schritt. Und auch nach seinem Untod muss Shauns Kumpel Ed nicht auf liebgewonnene Lebensgewohnheiten, wie Playstation spielen, verzichten. Wie viel von der Person, deren äußere Erscheinung noch erkennbar ist, steckt in einem Zombie? Und unter welcher Prozent-Marke dürfen wir mit einem Baseballschläger dem Zombie, der einmal unsere Mutter war (vielleicht teilweise noch ist – auch wenn sich ihre Interessenslage eindeutig geändert hat) ohne schlechtes Gewissen den Kopf zu Brei schlagen? Dürfen wir das überhaupt? Notwehr – ist klar. Aber sonst?

„Dieses Ding ist nicht mehr deine Mutter!“ Aber was ist es dann?

Noch schwieriger wird es bei den Vampiren, die offensichtlich eine geistige Kontinuität zu ihrem früheren, lebendigen Ich aufweisen und auch optisch für einen Laien im ersten Augenblick nicht von einem Lebenden zu unterscheiden sind. Viele Vampire entpuppten sich auch als geistreiche und charmante Gesprächspartner. Bleibt natürlich der Konflikt, dass sie zum Überleben auf menschliches Blut angewiesen sind. Was wäre aber nun, wenn sich Menschen z.B. bereit erklären würden, sich in einer Art Blutbordell freiwillig und zum Lustgewinn von Vampiren aussaugen zu lassen? Als eine Art freiwillige, lustvolle Blutspende? Ist es unter diesen gedanklichen Umständen moralisch vertretbar, einem Vampir einen stumpfen Holzpflock in das Herz zu rammen?

Heidegger trifft Dracula

Mit solchen Gedanken beschäftigen sich die Texte in „Die Untoten und die Philosophie“. Auch wenn das Buch sicherlich im Fahrwasser des anhaltenden Vampir- und Zombie-Booms mit entsprechenden bizarren Blüten, wie „Stolz und Vorurteil und Zombies“ entstanden ist, handelt es sich dabei jedoch überraschenderweise nicht um eine schnell zusammengeklaubte Ansammlung von ulkigen Lebensweisheiten. Das liegt vor allem daran, dass die Autoren zum großen Teil wirklich Philosophen SIND, bzw. entsprechende Lehrstühle an amerikanischen Universitäten inne haben. Entsprechend ernsthaft, wenn auch mit der notwendigen Leichtigkeit und Verständlichkeit, bearbeiten sie dann auch das Thema. Hier trifft wirklich Heidegger auf Dracula. Das ganze ist sehr unterhaltsam und kurzweilig zu lesen. Und vor allem auch durchaus anregend. Wirft es doch ein ganz neues Licht auf viele uns so vertraut gewordene Ansichten über die Untoten. Kann sein, dass man nach dem Buch einiges anders betrachtet. Und vielleicht sogar sich selbst. Denn schließlich ist man beim Versuch einer Abgrenzung (die ja notwendig ist, wenn ich jemandem mit dem Baseballschläger… na, Du weißt schon) auch immer damit konfrontiert, wer man eigentlich selbst ist und was das Wesen des Menschen ausmacht. Im Gegensatz z.B. von einem Zombie, der einem das Hirn ausschlürfen will.


Trailer zum Thema



Text: A.Hartung

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