(Orginaltitel: “The Dracula Tape“)
Genre: Parodie
Autor: Fred Saberhagen
Verlag: Festa
Im Dezember 1975 trifft das Ehepaar Arthur Harker (Nachfahre des berühmten Jonathan Harker) und Janet Harker, während eines Schneesturmes, völlig entkräftet und dem Kältetod nahe, im All Saints Hospital bei Plymouth ein. Ihr Auto wird wenig später, ca. 30 Meilen entfernt, mit steckendem Schlüssel und halbvollem Tank gefunden. Auf die Frage hin, warum sie ihr Auto verlassen haben und was es mit dem Tonbandgerät auf dem Rücksitz des Wagens auf sich hat, verweigern sie vehement die Auskunft.
Totgeglaubte reden länger
Nicht ohne Grund, denn das Tonband weiß die Antwort. Darauf erzählt ein zu Unrecht Totgeglaubter seine Geschichte. Sein Name, Vlad III. Drăculea, besser bekannt als Graf Dracula!
Naja, eigentlich erzählt er nicht seine ganze Lebensgeschichte. Vielmehr unternimmt der Fürst der Dunkelheit den ersten und letzten Versuch, einige Halbwahrheiten ins rechte Licht zu rücken. Insbesondere wurmt ihn die Darstellung jener Ereignisse in dem Tagebuch-& Brief-Roman, welcher Bram Stoker als Autor weltberühmt macht. So beschreibt Dracula, wie er versucht nach London überzusiedeln. Leider scheitert er mit dem Versuch, sich mit dem Kanzleiangestellten Jonathan Harker anzufreunden. Leider kann er ihn auch nicht vor drei blutrünstigen Vampir-Damen gleichzeitig beschützen. Der in Panik verfallene Harker versucht sich in diesem heiklen Moment, durch das hohe Fenster aus dem Staub zu machen, während vor dem Tore eigentlich, eine von Dracula bereit gestellte, luxuriöse Kutsche mit uniformiertem Ziegeuner-Fahrer, auf ihn wartet um ihn zum Bahnhof zu fahren.
Draculas Bemühen steht auch weiterhin unter keinem guten Stern. Die Mannschaft seines Schiffes meuchelt sich auf der Überfahrt nach England vor lauter abergläubischer Furcht selbst, während der verzweifelte Graf versucht, den Kapitän zur Kooperation zu bewegen. Er fürchtet auf Grund zu laufen und dabei seine Kisten voller Heimaterde zu verlieren. Doch damit nicht genug, heftet sich auch noch der sadistische und nicht mal richtig englisch sprechende – ein Umstand, der anscheinend in keiner deutschen Dracula-Übersetzung Berücksichtigung fand – Dr. Van Helsing an Draculas Fersen.
Dracula, der Frauen-Versteher
Mit den Frauen läuft es hingegen viel besser. Lucy ist froh, dass sie endlich einen Liebhaber gefunden hat, der ihr nicht mit ausufernden Wort-Eskapaden einen Heiratsantrag macht. Harkers frisch Angetraute Mina erweist sich gar als Draculas große Liebe. Gemeinsam schmieden Mina und er einen Plan, Draculas Tod vorzutäuschen und somit seinen fanatischen Feinden zu entkommen.
“Die Geständnisse des Grafen Dracula“ erzählt Stokers berühmten Roman aus der Sicht des obersten aller Vampire. Da sich der erzählerische Ablauf sehr eng an der Vorlage orientiert, hält sich der Spannungsaufbau zwangsläufig in Grenzen. Dafür ist es sehr amüsant zu lesen, wenn Dracula versucht, sein in eigenr Person sein nicht vorhandenes Personal zu ersetzen und zivilisiert zu wirken. Harkers dreckiges Geschirr wirft er einfach aus dem Fenster, in der Überzeugung, dass die goldenen Teller in einigen Jahren von allein sauber werden. Von der Leerung des Nachttopfes ganz zu schweigen. Süffisant verweist er auf die fehlenden, medizinischen Kenntnisse des “führenden Mediziners“ Dr. Van Helsing, der Lucy mit wahllosen Bluttransfusionen zu Tode kuriert. Zudem sinniert er darüber, ob ihn allein seine sexuelle Sprunghaftigkeit (wenn man das so bezeichnen darf) zum Hassobjekt der tapferen Männer werden lässt.
Ein unterhaltsamer Lesespaß!
Text: Andreas Hartung