(Originaltitel: “Baltimore, Or The Steadfast Tin Soldier And The Vampire“)
Genre: Vampir-Roman mit düsteren märchenhaften Elementen
Autor: Mike Mignola / ChristopherGolden
Verlag: Crosscult
Europa ist am Boden. Die Hessenkriege, ein dem 1.Weltkrieg ähnliches Szenario, sind praktisch vorbei. Aber nicht Sieg und Niederlage führten wie sonst üblich zum Kriegsende. Nein, die graue Pest wütet mit verheerenden Auswirkungen in ganz Europa. Angesichts der tödlichen Krankheit desertieren Freund und Feind, um zu ihren Liebsten zu eilen. In dieser Zeit treffen sich, in einer vom Verderben gezeichneten Stadt, drei seltsame Gestalten.
Triebfeder der Pest
Grund für das Treffen an diesem unwirtlichen Ort ist die Bitte eines gemeinsamen Freundes, namens Lord Henry Baltimore. Nach einem erschreckenden Erlebnis auf dem Schlachtfeld weiß er als einer der wenigen Menschen, um die wahre Herkunft der Pest. Nicht Bakterien sind die Krankheitserreger, sondern Vampire! Wie Heuschrecken überziehen sie die Landstriche und lassen nichts Lebendes zurück. Nachdem seine Familie den Todbringern zum Opfer gefallen ist, schwört Baltimore Rache und wird zum unerbittlichen Jäger der nächtlichen Blutparasiten.
Dazu benötigt er jedoch die Hilfe seiner drei potentiellen Mitstreiter. Der Seemann Demetrius Aischos, der verstümmelte Chirurg Lemuel Rose und der adlige Jugendfreund Thomas Childress folgen dem Ruf ihres Freundes. Sie sind bereit, der Geschichte Baltimores Glauben zu schenken und ihn in seinem Kampf zu unterstützen. Schließlich haben sie selbst bereits erschütternde Erfahrungen mit dem Bösen gemacht. Zunächst aber warten die Drei vergeblich in einer öden Spelunke, bis endlich ein Bote eintrifft und ihnen das Tagebuch von Lord Baltimore übergibt. Von da an wissen die drei skurrilen Helden, wie sie ihrem Freund helfen können.
Vom Comic zum Buch
“Baltimore“ ist ursprünglich als Comic geplant. Als Hellboy-Schöpfer Mike Mignola aber merkt, dass die Geschichte den Rahmen sprengen würde, holt er Christopher Golden als erfahrenen Mitautor ins Boot. Das Ergebnis ist ein über 300 Seiten starker Roman. Die Kombination des Märchens vom einbeinigen Zinnsoldaten (Titelheld Baltimore verlor im Krieg ein Bein), klassischen Vampir-Geschichten und düsterer Folklore funktioniert hervorragend. Genau wie in seinen Comics (“Hellboy“) benutzt Mignola Motive aus der Welt der Sagen und Märchen, die er in seine Rahmengeschichte kunstvoll einbindet. So lesen wir in “Baltimore“ von verwunschenen Städten, indianischen Wasserdämonen und einem Gestalten-Wandler in Form eines Werwolfes.
Vom Buch zum Film
Eine Verfilmung der Geschichte ist ebenfalls geplant. Die Regie soll David S. Goyer führen, der bereits u.a. bei “Blade Trinity“ als Regisseur und bei “Dark Knight“ als Drehbuchautor fungierte. Das Drehbuch schreiben Mike Mignolia und Christopher Golden zusammen.
Obwohl man den Eindruck hat, dass Mignola den Kern der folkloristischen Versatzstücke relativ unberührt lässt und diese “nur“ stimmig in sein Gesamtkonzept integriert, entsteht eine dichte, düstere und geheimnisvolle Atmosphäre. Seine Leistung besteht vorrangig darin, viele dieser Mythen und Geschichten in ein zeitgemäßes Gewand zu kleiden. “Baltimore“ ist in sofern keine Neuerfindung des Genres. Aber es ist ein unglaublich spannendes Buch und schauriges Gruselmärchen.
Das Buch enthält darüber hinaus zahlreiche Illustrationen von Mignola, die größtenteils wie Embleme wirken. Noch mehr großflächige Bilder wären zwar schön gewesen, dafür hat das Buch aber das schönste Cover der letzten Jahre. Und als Zugabe gibt es das Original-Märchen “Der standhafte Zinnsoldat“ von Hans Christian Andersen.
Text: Andreas Hartung
Alle Illustrationen sind von Mike Mignola und wurden dem Buch entnommen.