Wer kennt eigentlich deutsche Serienkiller? Jeder weiß, was Jack the Ripper tat und wer Ted Bundy war. Natürlich umgibt Jack the Ripper das Mysterium des Ungeklärten, aber fünf nachgewiesene Morde – da muss man für die Bezeichnung Serienkiller ja fast schon ein Auge zudrücken. Fritz Haarmann, der wohl bekannteste deutsche Serienkiller, brachte es auf 24 (vermutet 27) Opfer. Carl Großmann aus Berlin werden zwischen 23 und 100 Opfer zugeschrieben. Es wird vermutet, dass er seine Opfer zu Fleisch- und Wurstwaren verarbeitete und an seinem Wurststand am Schlesischen Bahnhof verkauft hat und sie teilweise auch selbst verspeiste.
Ein sehr beliebte Hypothese übrigens, denn von Fritz Haarmann wurde ähnliches vermutet. Dies spiegelt sich auch in dem umgedichteten Gassenhauer „Warte, warte nur ein Weilchen, bald kommt das Glück auch zu Dir“ wider, indem es nun heißt: „Warte, warte nur ein Weilchen, bald kommt Haarmann auch zu dir, mit dem kleinen Hackebeilchen, macht er Schabefleisch aus dir. Aus den Augen macht er Sülze, aus dem Hintern macht er Speck, aus den Därmen macht er Würste und den Rest, den schmeißt er weg.“
Hosenträger aus Menschenhaut
Eine ähnliche Text-Version existiert mit dem Serienmörder Karl Denke aus Münsterberg. Wobei bei Karl Denke jedoch erwiesen ist, dass er einen Großteil seiner Opfer verspeiste. Als die Polizei seine Wohnung durchsuchte, fand sie Reste von mit Menschenfleisch zubereiteten Mahlzeiten und in Pökelfleisch eingelegte menschliche Vorräte für den Winter. Laut dem Schriftsteller Peer Meter konnte man an den eingelegten Fleischstücken noch gut die Brustwarzen und Bauchnabel erkennen. Aus der Haut einiger Opfer nähte er sich Hosenträger. Ebenfalls mit Brustwarzen dran. Serienkiller-Schick.
Bild: Von links nach rechts: Hosenträger aus Menschenhaut – gefunden in Karl Denkes Wohnung / der tote Karl Denke – nachdem er sich in seiner Zelle erhängt / menschliche Fleischstücke in der Küche von Karl DenkePeer Meter ist so etwas wie ein dunkler künstlerischer Chronist der deutschen Serienkiller-Historie. Schenkelklopfige Vulgarität, wie in dem oben zitierten Gassenhauer, ist seine Sache nicht. Zusammen mit ausgesuchten Comic-Künstlern hat er den Serienkiller-Gestalten und ihren Taten eine Graphic-Novel-Trilogie gewidmet. Der erste Teil “Gift“ (Zeichnungen Barbara Yelin/Verlag Reprodukt) erzählt von der Arsen-Mörderin Gesche Gottfried. In “Haarmann“ (Zeichnungen Isabel Kreitz /Carlsen Verlag) widmet er sich ausführlich den Ereignissen, die zur Entdeckung von Fritz Haarmann führten. Nun ist der abschließende Band der Serienkiller-Trilogie erschienen, welcher die Taten von Karl Denke zum Inhalt hat.
Gefangen in einem Albtraum
Erstmal wählt Peer Meter nicht den Weg der historischen Darstellung, sondern versucht den Leser mit in die dunkle Welt, in das Grauen von Karl Denke hineinzuziehen. Ein Mann fährt in das polnische Ziębice (das frühere Münsterberg) um seinen Bruder – den titelgebenden Bruder – zu suchen. Der Bruder ist Journalist und will eine Reportage über Karl Denke am Ort seiner Taten schreiben. Seit einigen Tagen gibt es jedoch kein Lebenszeichen mehr von ihm. Während Vasmer nun versucht, seinen Bruder zu finden und dabei die Leute trifft, die sein Bruder traf, die Orte besucht, die sein Bruder besuchte, wird er nach und nach, tiefer und tiefer in die Welt von Karl Denke hineingezogen. Das Fehlen jeglicher Sprachkenntnisse verstärkt nur sein Gefühl, in einem Albtraum gefangen zu sein. Geschickt verknüpft Meter die Bruder-Suche auf den Spuren von Karl Denke mit historischen Szenen aus den Tagen, die zu seiner Entdeckung führten. Er reißt den Leser in einen düsteren psychologischen Strudel. Und am Ende hält der Autor für den Leser noch einen handfesten Twist bereit.
Für die passende grafische Umsetzung seiner Geschichten sucht sich Meter jeweils passende Künstler aus. Bei der mehrere hundert Seiten dicken, historisch genauen Beschreibung der letzten Tage von Haarmanns Treiben, arbeitete er mit der akribischen, detailversessenen Graustufenkönigin Isabel Kreitz zusammen. “Vasmers Bruder“ wurde von David Bassewitz dagegen in dunklen verwaschenen Bildern illustriert. Oft machen sie den Eindruck von mit Kohle und Flecken überzeichneten Schwarzweiß-Fotos, welche den Leser unerbittlich in den düsteren Albtraum von Vamsers Bruder hineinziehen und seine zunehmende Verwirrung erfahrbar machen. Abgerundet wird der Band durch einen kurzen historischen Abriß von Peer Meter.
Kein Bedarf an dunklen Popstars
Warum sind nun die deutschen Serienkiller im kollektiven Gedächtnis viel weniger verankert, als zum Beispiel die amerikanischen? Horrorikone Jörg Buttgereit meinte in einer Diskussion zu diesem Thema, dass die USA als junges Land ohne eigene Mythen ein viel größeres Bedürfnis haben, sich eine eigene Geschichte zu erschaffen. Während Europa quasi tausende Jahre bis obenhin voll ist mit obskuren historischen Personen, blutigen Geschichten und dunklen Erzählungen. Da besteht kein wirkliches Interesse, aus einem Menschenfresser mit Brustwarzenhosenträgern einen düsteren Popstar zu machen.
Alle Abbildungen sind dem Buch entnommen. Die Bildrechte liegen beim Carlsen-Verlag.
Links
Webseite des Autors Peer Meter
Webseite des Zeichners David Bassewitz
Text: A. Hartung
Gott –die Bilder sind perfekt um sie nach einer mörderischen Gruselgeschichte zu zeigen und zu sagen–es ist wirklich geschehen!!!!!!!!!!!!!!!!!!!