(The Shining)
1980 I 119 min I FSK Keine Jugendfreigabe
Regisseur Stanley Kubrik hat mit „2001“, „Full Metal Jacket“ und „A Clockwork Orange“ Meilensteine in den verschiedensten Genres geschaffen. Warum ihm das mit „Shining“ auch im Horrorgenre gelang, erfährst Du hier. Wenn Du Dich traust!
Jack Torrance ist nicht gerade ein Mustergatte. Der trockene Alkoholiker möchte wieder auf die Füße kommen und endlich einen Roman schreiben. Um Ruhe zu haben, nimmt er einen Hausmeisterjob im Overlook-Hotel an, das hoch in der Bergen von Colorado liegt. Mit seiner Frau und seinem kleinen Sohn Danny soll er dort im Winter wohnen und das verlassene Gebäude betreuen. Doch die Abgeschiedenheit tut dem psychisch labilen Mann eher weniger gut. Auch der kleine Danny, der eine Art Vorsehung namens „Shining“ besitzt, ahnt schnell, dass das Hotel kein Ponyhof ist. Doch da ist es schon zu spät. Jack dreht durch und alle Fluchtwege sind unpassierbar…
The King is not amused
Um eins vorweg zu nehmen: Stephen King, der die berühmte Romanvorlage schrieb, mochte den Film überhaupt nicht. Aus seinem Blickwinkel kann man das verstehen: Kubrick kürzt Kings dicken Wälzer auf wenige Ereignisse zusammen und lässt Jacks Abstieg in den Wahnsinn ziemlich schnell vonstatten gehen. Doch es gibt eine vierteilige TV-Verfilmung aus dem Jahr 1997, die sich sehr genau ans Buch hält. Und diese Version ist so aufregend, wie der Abschlussbericht des Taubenzüchter-Vereins Grünheide. Kubrick hat alles richtig gemacht: Er verknappt den Roman auf die wesentlichen Ereignisse, mit maximaler Wirkung – „Shining“ ist unheimlich gruselig. Das liegt vor allem daran, dass der Regisseur den Roman nicht einfach nur brav abfilmt, wie so viele schlechte Filmemacher es immer wieder tun. Kubrick überträgt den Roman so meisterhaft in Bild und Ton, dass einem Hören und Sehen vergeht. Die Filmsprache dieses Werks ist eine schiere Wucht.
Todesmelodie
Es gibt wenige Filme, die von Anfang an solch ein Gefühl des Unbehagens erzeugen wie „Shining“. Der Vorspann zeigt Jacks Fahrt zum Hotel an einem klaren, sonnigen Tag. Wir sehen Jacks Käfer ganz klein aus der Luft durch die gigantische Berglandschaft fahren. Das allein erzeugt schon eine beängstigende Verlorenheit, doch viel entscheidender ist die dunkle, fast erdrückende Synthesizer-Musik, die über dem Vorspann liegt. Dieser Klangteppich zieht dem Zuschauer den Magen zusammen und die Farben förmlich aus dem Filmmaterial. Kubricks Musikeinsatz ist extrem vordergründig und macht einige Szenen schwer zu ertragen. So gibt es später im Film einen Dialog zwischen Vater und Sohn, in dem Danny scheinbar behütet auf Jacks Schoß sitzt. Vati sieht vielleicht ein wenig abwesend aus, aber was er sagt, macht Mut. Wäre da nicht diese Musik, die einem den kalten Schauer über den Rücken jagt: Die Töne schwelen so gnadenlos unter dem Dialog, wie Jacks Wahnsinn hinter seiner Stirn. Man möchte aufspringen und ihm das Kind entreißen, wenn nur nicht diese blöde Mattscheibe dazwischen wäre.
Postkartenidyll
Auch die Bilder stehen dem meisterhaften Ton in nichts nach. Kubrick profitiert von der damals brandneuen Erfindung der Steadicam, einem Hydrauliksystem, bei dem die Kamera wackelfrei am Kameramann befestigt wird. Damit erschafft er fast schon rauschhafte Bilder: Danny fährt zum Beispiel mit seinem Dreirad minutenlang durch das leere Hotel, die Kamera schwebt ganz knapp hinter ihm. Durch diesen Kniff wird der Zuschauer direkt ins Geschehen eingesogen und kann sich dem Horror nicht entziehen. Von düsteren Vorahnungen gelähmt, fürchtet man sich vor jeder kleinen Ecke, weil dahinter das Grauen lauern kann. Und das bekommen wir auch bald zu Gesicht, Dannys Visionen sind erschreckend drastisch. Auch die Kulisse ist genial: Gigantische, leere Hallen wechseln sich mit erdrückend engen Fluren ab, die Einrichtung und das Licht sind so kalt wie die Landschaft draußen. Bemerkenswert ist auch das blutrot gekachelte Badezimmer, in dem Jack einen ziemlich nachhaltigen Entschluss fasst. Das Hotel ist ein monströses Geisterhaus, das ganz ohne Spinnweben und knarrende Türen auskommt. So etwas kann nur ein Meisterregisseur erschaffen.
Here is Johnny!
Der größte Star des Films ist natürlich Jack Nicholson als Jack Torrance, das muss nicht extra betont werden. Dieser Schauspieler hat den Wahnsinn quasi erfunden, niemand sonst schaut so bösartig durch eine zerhackte Tür wie er. Aber auch der Rest der Familie ist großartig besetzt. Shelley Duval als Wendy Torrance spielt die kulleräugige Hilflosigkeit mit mitreißender Intensität und der damals erst 6-jährige Danny Lloyd als Filmsohn ist einfach umwerfend. Schon allein der überzeugende Wechsel zu seinem übersinnlichen Ich „Tony“ ist ganz großes Kino.
„Shining“ ist ein Meisterwerk der Gruselfilmgeschichte, das seine Genialität in jeder Einstellung zur Schau stellt, ohne jemals aufgesetzt oder verkünstelt zu wirken. Nicht umsonst wird der Film bis zur heutigen Zeit in jeder erdenklichen Form zitiert und parodiert. Weil er seine Wirkung vor allem durch die erdrückende 70er-Jahre Kulisse entfaltet, wird er mit dem Alter sogar noch beklemmender. Dieser Film sollte von jedem Horrorfan mindestens einmal im Jahr angeschaut werden. Gesünder wäre aber einmal im Quartal!
Englischer Trailer
Text: S. Werner