Der Ekke Nekkepenn – Monster der Welt

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Hintergrundgeschichte

Bei der norddeutschen Sagengestalt „Ekke Nekkepenn“ handelt es sich genau genommen um zwei Figuren (oder um eine mit zwei verschiedenen Erscheinungsformen): Die eine ist ein Zwerg, die andere Figur ist ein Meermann, also ein Mischwesen, dessen Gestalt halb Mensch, halb Fisch ist. Letzterer lebt mit seinem Meerweib Ran bzw. Rahn (nicht zu verwechseln und auch nicht verwandt mit Ran, der Frau des MeeresgottesÄgir aus der altnordischen Mythologie) auf dem Grund der Nordsee und treibt Schabernack mit den Bewohnern der nordfriesischen Inseln, deren Schiffe er zum Kentern bringt und deren Sand der Inseln (z.B. Sylt) er mit der Flut nach und nach davonspült.

Diese Abbildung eines Meerwunders mit menschlichem Antlitz stammt von K. Gesner aus dem Jahre 1575 | Quelle: Fabelwesen des Meeres von Sonnfried StreicherObwohl sich die beiden Figuren (Zwerg und Meermann) bezüglich ihrer Morphologie doch recht deutlich voneinander unterscheiden, so eint die beiden doch, dass sie im Sagenkreis Schleswig-Holsteins bzw. der nordfriesischen Inseln beheimatet sind und die dazugehörigen Erzählungen nach Ansicht von Geschichts- und Sprachforschern regionale Abwandlungen des Märchens „Rumpelstilzchen“ der Gebrüder Grimm sind.

Die gleichnamige Geschichte zum zwergenhaften „Ekke Nekkepenn“ ist schnell erzählt: Ein Zwerg, Ekke Nekkepenn, verliebt sich ein eine Menschenfrau und verlobt sich mit ihr. Doch die Frau überlegt es sich anders, worauf der Ekke Nekkepenn entgegnet: „Ich will dich schon lehren Wort zu halten; nur wenn du mir sagen kannst, wie ich heiße, sollst du frei sein.“ Überall fragt die Frau, doch niemand konnte ihr helfen. Irgendwann gelangt sie an einen Hügel, wo sie folgenden Gesang vernimmt:

„Delling skell ik bruw, („Heute soll ich brauen,)
Mearen skell ik baak, (Morgen soll ich backen,)
Aurmearn skell ik Bröllep haa. (Übermorgen will ich Hochzeit machen.)
Ik jit Ekke Nekkepenn, (Ich heiße Ekke Nekkepenn,)
Min Brid es Inge fan Raantem, (Meine Braut ist Inge von Rantum,)
En dit weet nemmen üs ik alliining.“ (Und das weiß niemand als ich allein!“)

Am dritten Tag kommt der Zwerg um die Frau zu heiraten und fragt, wie er denn heiße, da antwortet sie: „Du heißt Ekke Nekkepenn!“ Daraufhin verschwindet der Zwerg auf Nimmerwiedersehen.

Meermann und Meerweib im trauten Zusammenspiel, Darstellung von J.W. Buel, 1887 | Quelle: "Fabelwesen des Meeres" von Sonnfried StreicherAls Meermann taucht Ekke Nekkepenn in „Inge von Rantum und der Meermann auf Hörnum“ auf. Darin ist der olle Ekke seines alten Meerweibs Ran bzw. Rahn überdrüssig geworden und will nun eine schöne junge Menschenfrau freien. Bei Hörnum, an der südlichen Spitze von Sylt, geht er am Strand spazieren, als ihm Inge von Rantum, ein junges hübsches Mädchen begegnet. Er umgarnt sie, steckt ihr goldene Ringe an die Finger und legt ihr eine goldene Kette um den Hals: „Nun habe ich dich gebunden, nun bist Du meine Braut!“ Inge weint und bittet ihn, sie freizulassen, doch behält sie den Schmuck woraufhin der Ekke Nekkepenn sagt:

„Ich mag‘ Dich, muss Dich haben!
Magst Du mich, sollst mich kriegen.
Willst Du nicht, kriegst mich doch.
Mittwoch haben wir Gelag‘.
Doch kannst Du sagen, wie ich heiß‘,
Dann bist Du frei und meiner los!“

Da sie bis zum morgigen Tag Gewissheit braucht, streift sie umher, fragt die Leute, aber niemand kann ihr helfen. Doch als sie bei der Thorsecke auf Hörnum im Berg jemanden singen hört, erkennt sie die Stimme ihres Freiers (Text siehe oben, „Heute werd ich brauen…“). Am nächsten Tag sagt sie zu ihm: „Du heißt Ekke Nekkepenn, und ich bleibe die Inge von Rantum!“ und flieht mit dem goldenen Schmuck von dannen. Von da an hat der Meermann große Wut auf alle Rantumer und lässt fortan seine Frau Salz mahlen, was einen solchen Mahlstrom, einen riesigen Strudel erzeugt, dass viele Schiffe darin untergehen und dadurch zuletzt auch die ganze weite See salzig wird.

Der Sylter Chronist, Lehrer, Heimatforscher und Volkskundler Christian Peter Hansen | Quelle: WikipediaDiese beiden Sagen und die Geschichte „Des Meermanns Frau in Kindsnöten“ verwob der Sylter Chronist, Lehrer, Heimatforscher und Volkskundler Christian Peter Hansen (1803 – 1879) irgendwann zu seiner „eigenen“ Geschichte, der er in seinem erstmals 1858 erschienenen Buch „Sagen und Erzählungen der Haidebewohner auf Sylt“ gleich den ersten Abschnitt mit dem Titel „Der Meermann Ekke Nekkepenn“ widmete. Das nennt man künstlerische Freiheit!

Seitdem ist der Name Christian Peter Hansen beinahe untrennbar mit der Sage vom Ekke Nekkepenn verbunden.


Abbildung eines Meermannes von Johann Zahn, 1696 | Quelle: Wikipedia

Aussehen des Ekke Nekkepenn

Das exakte Aussehen des Ekke Nekkepenn ist zwar nicht überliefert, doch es gibt – wie gesagt – zwei Varianten. Mal ist der Ekke Nekkepenn ein Zwerg, also aller Wahrscheinlichkeit klein. Der Meermann Ekke Nekkepenn ist aller Wahrscheinlichkeit ein Mischwesen, halb Mensch, halb Fisch. Doch geht er an Land, so nimmt er wohl eine Menschengestalt an. Er trägt, als er in „Inge von Rantum und der Meermann auf Hörnum“ eine Menschenfrau zu freien versucht, Schiffertracht und wirft mit allerhand goldenem Schmuck um sich. Auch der Meermann „Ekke Nekkepenn“ von Christian Peter Hansen hatte sich bei seinem Landgang auf Hörnum „angetakelt wie ein Sylter Seefahrer“ und „gebärdete sich wie ein Nachtschwärmer“.


Heimat

Die Heimat des Ekke Nekkepenn ist fraglos die Gegend um die nordfriesischen Inseln. Als Zwerg lebt(e) er vorzugsweise in einer Höhle, als Meermann zusammen mit seinem Meerweib auf dem Meeresgrund der Nordsee.

Die Heimat des Ekke Nekkepenn

 


Taktik und Opfer des Ekke Nekkepenn

Der Zwerg Ekke Nekkepenn bedeutet eigentlich nur für junge Menschenfrauen eine Gefahr, die seinen Namen nicht innerhalb von drei Tagen herausfinden und die er dann zu seiner Frau nimmt. Eine größere Gefahr stellt der Meermann Ekke Nekkepenn dar: An Land fährt er, was Frauen betrifft, fast die gleiche Strategie (die durch seine Verwandlung in eine Menschengestalt und den ganzen goldenen Schmuck aber mehr Aussicht auf Erfolg hat). Auf See reißt der Mahlstrom seiner zum Salzmahlen verdonnerten Frau Seefahrer und ihre Schiffe in die Tiefe, vorzugsweise Sylter Seefahrer und ihre Schiffe.


Abwehr

Den Zwerg wehrst Du (sofern Du als junge hübsche Menschenfrau in sein Beuteschema passt) ab, indem Du dem Ekke Nekkepenn am dritten Tag (wenn er Dich ehelichen will) seinen Namen an den Kopf wirfst. Der Meermann ist von anderem Kaliber. Auf dem Meer bist Du – egal ob Mann oder Frau – seinen Launen bzw. dem Mahlstrom seines Salz mahlenden Weibs praktisch schutzlos ausgeliefert. Da hilft nur die Nordsee weitläufig zu umfahren, was unter Umständen schwer bis unmöglich ist. An Land hast Du zwar weniger Zeit, um dem Verführer seinen Namen zu nennen; aber lass Dich zuvor ruhig reich beschenken, den Schmuck kannst Du dann nämlich behalten und mit nach Hause nehmen!

Etwas skurrile Abbildung von Meermann und Meerweib, von J. Jonstonus, 1649 | Quelle: "Fabelwesen der Meere" von Sonnfried Streicher


Sonstiges

Der Ekke Nekkepenn taucht unter dem Namen Eckeneckepenn auch als Kobold in Theodor Storms Novelle „Die Regentrude“ (Kapitel 2) auf. Dort hat er einen roten Bart, durch den er sich oft mit den Fingern fährt, was feurige Flocken aus seinem „Feuerbart“ löst.


Schrecklevel: 6 von 13

Es gibt Schlimmeres, aber der Ekke Nekkepenn ist auch nicht zu unterschätzen! An Land ist wahrscheinlich der Eckeneckepenn am gefährlichsten, so wie Theodor Storm ihn schildert. So ein Flächenbrand, ausgelöst durch lose Barthaare kann echt unangenehm werden. Der Zwerg Ekke Nekkepenn kann nicht viel. Nur Frauen, die seinen Namen nicht kennen oder nicht erraten können, haben unter Umständen ein Problem. Der Meermann Ekke Nekkepenn kann auch nicht viel mehr und schenkt den Frauen sogar noch Goldschmuck. Gefährlich aber wird es auf dem Meer! Da sind Mann und Frau gleichermaßen dem Untergang geweiht, wenn es hart auf hart kommt.


 

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