Der Monstrumologe

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Genre: Jugend-Monsterbuch mit Splatter-Einlagen
Autor: Rick Yancey
Verlag: Bastei Lübbe

Die Monstrumologie ist eine Wissenschaft. Sie beschäftigt sich mit dem Studium der Kreaturen, welche sich dem Menschen gegenüber grundsätzlich feindselig verhalten, deren Existenz aber vom Rest der Wissenschaft nicht anerkannt wird. Also zum Beispiel alle Wesen, die in unserer Rubrik “Monster der Welt“ zu finden sind. Da die Öffentlichkeit die Existenz dieser Kreaturen bezweifelt, aber trotzdem vor ihnen geschützt werden muss, untersuchen die meisten Monstrumologen die Monster nicht nur, sondern machen gleichzeitig auch noch Jagd auf sie. Irgendjemand muss es ja tun.

Der eigenbrötlerische Dr. Pellinore Warthrop ist solch ein Monstrumologe. Er ist nicht nur Einzelgänger, sondern auch: exzentrisch, verstockt, geschwätzig, autistisch, genial, leidenschaftlich, empfindlich, rücksichtslos und dazu etwas manisch. Also kein Mensch mit dem man unbedingt zusammenleben möchte. Der zwölfjährige Will Henry tut es trotzdem. Als Zwölfjähriger hat man meistens nicht die große Wahl. Früher war sein Vater der treu ergebene Assistent von Warthrop. Nach dem Tod seiner Eltern nahm dieser den Halbwüchsigen bei sich auf und nun ist eben er, der Zwölfjährige, dessen neuer Assistent. Das er noch ein halbes Kind ist, scheint der Doktor kaum zu bemerken. Oder er will es nicht. Und so hat Will Henry in seinen jungen Jahren schon mehr von der dunklen Seite der Natur gesehen, als mancher Erwachsene in seinem ganzen Leben. Dem Doktor würde es im Traum nicht einfallen, seinen jungen Assistenten vor dem Haus warten zu lassen, in dem die Überreste einer vielköpfigen Familie zerfetzt über die Wände verteilt sind. „Deine Dienste sind mir unentbehrlich, Will Henry“ sagt er stattdessen.

Echte Monster: Die Anthropophagen

Mampfer Maske aus Latex Zwei der drei Bücher mit den Abenteuern des zwölfjährigen Will Henry, dem Monstrumologen-Assistenten, sind bis jetzt auf deutsch erschienen. Der Reiz der Bücher besteht darin, dass Autor Rick Yancey auf Kreaturen aus Mythen und alten Erzählungen zurück greift. Also Wesen an deren Existenz vermutlich wirklich einmal geglaubt wurde. Im ersten Band (“Der Monstrumologe“) sind das die Anthropophagen. Das ist griechisch und war das vormals geläufige Wort für Menschenfresser. Rick Yancey benutzt hier die Überlieferungen über wilde menschenfressende Stämme in der Südsee mit den Erzählungen antiker und mittelalterlicher Seeleute über ein Volk ohne Kopf, die den Mund und die Augen auf dem Körper haben. Bei Yancey wird aus diesen antiken Figuren eine tierische Gattung mit obskuren Äußerem und einer rasenden Vorliebe für Menschenfleisch.

Solch ein Rudel taucht nun in unmittelbarer Nachbarschaft von Monstrumologe Warthrop auf. Und das, obwohl diese Gattung eigentlich nur in Westafrika heimisch ist. Sie dürften gar nicht hier sein. Wie sind sie dahin gekommen? Bald nährt sich der Verdacht, dass Warthrops vor fünf Jahren verstorbener Vater, ebenfalls eine Monstrumologe, für das Vorhandensein der Kreaturen verantwortlich ist. Welchen Zwecke er mit dieser gefährlichen Aktion verfolgte, ist unklar. Walthrop, der zwar ein angespanntes Verhältnis zu seinem Vater hat, sträubt sich dennoch mit Händen und Füßen gegen diese Theorie und sucht statt dessen nach anderen Erklärungen. Der von ihm widerwillig zur Hilfe gerufene undurchsichtige Experte Cory Kearns („Halte Dich von ihm fern, Will Henry“) zwingt ihn dazu, sich mit seiner Vergangenheit auseinander zu setzen. Vorher gehen sie aber erstmal auf Anthropophagen-Jagd.

Der Fluch des Wendigo

Im zweiten Band brechen Will Henry und der Doktor in die unendlichen Wälder Kanadas auf, um einen alten Freund und Kameraden des Doktors zu suchen und vielleicht zu retten. Dieser soll ein Opfer des Wendigo geworden sein. Ein Wesen, dessen Existenz Dr. Warthrop vehement bestreitet und als unwissenschaftlich abtut. Er soll eines Besseren belehrt werden.

Rick Yancey ist nicht der größte Autor der Welt. Seine Stärke sind die Figuren. Die Beziehung des jungen Henry zu seinem Vorbild und das komplizierte exzentrische Verhältnis des Doktors zum Rest der Welt. Dabei ist der Doktor kein unangreifbarer, fehlerloser Held, der nur mit einem zu großen Schuss Kauzigkeit gesegnet ist, sondern er ist fehlerbehaftet und mitunter charakterschwach. Und seine Fehler kosten Menschen das Leben.

Die Geschichten sind geradlinig und sehr spannend erzählt, wenn auch ohne große Überraschungen oder gar weitere originelle Einfälle. Ab und zu beschleicht einen der Verdacht, dass Rick Yancey bei seinen Recherchen zu den Monsterkreaturen nicht weit über den entsprechenden Wikipedia-Artikel hinausgekommen ist. Das tut dem Lesespaß zwar keinen wirklichen Abbruch, belässt die Reihe aber unter ihrem Potential und wirkt mitunter etwas platt. Wer eine wirklich beeindruckend gruselige Wendigo-Geschichte lesen will, sei an dieser Stelle noch einmal ganz spontan “Der Wendigo“ von Altmeister Algernon Blackwood ans Herz gelegt.

Nichts für schwache Nerven

Trotz seines jugendlich anmutenden Sujets (Junge geht mit Monsterjäger auf Monsterjagd) geht es in den Monstrumologen-Büchern stellenweise deutlich zur Sache. Für die Beschreibung des todkranken Kapitäns in der Irrenanstalt oder die letzten Minuten von Will Henrys Vater sollte man nicht allzu zart besaitet sein und nicht gerade beim Abendbrot sitzen.

Warum der Layouter der Meinung war, es würde dem Buch gut tun, einen Werkzeugkasten im Buch auszukippen, weiß vermutlich nur er (oder sie). Als Ausgleich gibt es einige schöne Illustrationen von Jürgen Geier Speh, der auch schon “Die Leichen des jungen Werther“ veredelte.

Der dritte Teil der Reihe, mit dem Titel “Der Monstrumologe und die Insel des Blutes“, erschien am 11. Januar 2013


 

 

 

 

 

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