Und immer wieder geht die Welt den Bach runter. Damit kennen wir uns hier ja ganz gut aus. Wie oft schon wurde die Apokalypse in Buch und Film drastisch heraufbeschworen, haben nukleare Katastrophen den Planeten verheert, sind Außerirdische, Zombies, Meteoriten über die Menschheit hergefallen und wurden wir von Robotern versklavt? An diesem Punkt ist Douglas Coupland mit seinem neuen Roman „Generation A“ nicht, und er hat auch nicht das Ziel, seine Protagonisten einsam über verlassene Straßen wandeln zu lassen. Denn eine Welt aus den Fugen – so zeigt er – kann auch sehr viel subtiler aussehen und ist doch durch ihre Nähe zur Realität nicht weniger erschreckend.
Wir befinden uns in einer sehr nahen Zukunft, die unserem Alltag verdammt ähnlich sieht. Allerdings: Die Bienen sind ausgestorben. Das bedeutet natürlich nicht nur, dass wir uns fortan nicht mehr am Honigtopf laben können, es hat auch zur Folge, dass ein Großteil aller Blütenpflanzen, die auf Bestäubung angewiesen sind, ebenfalls von der Erdoberfläche verschwunden sind. Aus der Konsequenz ergibt sich eine Welt mit maroder Landwirtschaft, bankrotten Staaten und einer Menschheit, die die unbestimmte Gewissheit in sich trägt, an dieser Misere selbst Schuld zu sein. Allerdings reagieren die Menschen seltsam gelassen. Ein Medikament namens Solon scheint der Grund dafür zu sein, dass sie jede Form von Verantwortung vergessen. Sie sind zu oberflächlichen Einzelgängern geworden, deren Interesse höchstens darin besteht, via medialer Verknüpfung ihr inhaltsleeres Dasein in aller Öffentlichkeit auszuleben.
So wird durch das Internet auch schlagartig bekannt, dass eines Tages an unterschiedlichen Orten der Welt fünf Menschen von Bienen gestochen werden. Monatelang wird jeder isoliert in aseptischen Einzelzellen in Quarantäne gehalten und von einer Computerstimme mit bizarren Fragen verhört. Ein einsamer Nacktmähdrescherfahrer aus Kanada, der gestochen wurde, als er mittels Satellitennavigation ein männliches Geschlechtsteil in sein Maisfeld mähte. Ein Callcenter-Angestellter aus Sri Lanka, der eine Fake-Website betreibt, auf der er leere Audiofiles mit der Stille aus Celebrity-Villen verkauft. Ein verzweifelter, französischer Computerspielsüchtiger, dem gerade grundlos seine World-of-Warcraft-Identität entzogen wurde. Eine Bibelfanatikerin mit Tourette-Syndrom und eine neuseeländische Fitnesstrainerin, die ihre Freizeit mit Internet-Memes vertreibt. Nach ihrer Freilassung erleben alle Gestochenen ihre fünfzehn Minuten Ruhm. Als ein dubioser Wissenschaftler der mächtigen Pharma-Unternehmen sie überredet, ihm zu Testzwecken auf eine abgelegene Insel zu folgen, kommen sie einander überraschend näher.
Der kanadische Autor Douglas Coupland drückte 1990 mit seinem Debüt „Generation X“ einer kompletten Generation unbewusst einen Stempel auf, den sie so schnell nicht wieder los wurde. Wenig überraschend nimmt sein neues Buch (wie bei dem Titel auch nicht anders zu erwarten) schon im Vorwort Bezug darauf, und zwar mit einem Zitat von Kurt Vonnegut bei einer Rede vor Absolventen der Syracuse University 1994:
„Ihr Grünschnäbel wollt also, dass eure Generation einen Namen bekommt? Wohl kaum, ihr wollt bloß Jobs, oder? Tja, die Medien leisten uns allen einen unschätzbaren Dienst, wenn sie euch Generation X nennen. Nur zwei Klicks weiter ist das Alphabet schon zu Ende. Ich erkläre euch hiermit zur Generation A und stelle euch damit an den Anfang einer ebenso langen Reihe spektakulärer Errungenschaften und Reinfälle wie einst Adam und Eva.“
Dieser schöne Satz drückt bereits die Intention von Couplands neuestem Werk aus: Wir sollten nicht lethargisch dem Abgrund entgegen wanken, denn wir stehen alle immer wieder am Anfang einer unbestimmten Zukunft. Und sei sie auch noch so verführerisch oder abschreckend.