(GB “Dance of the Vampires“ USA, “The Fearless Vampire Killers“, “The Vampire Killers“ oder “The Fearless Vampire Killers Or Pardon Me, But Your Teeth Are In My Neck“)
1967 | GB, USA | 107min | FSK12
Hoppla, das Symboltier der MGM – der Metro Goldwyn Mayer Löwe – verwandelt sich plötzlich in einen grünen Comic-Vampir und Blutstropfen von seinen Zähnen benetzen die eingeblendete Auflistung der Cast & Crew des Films. Das ganze untermalt vom eigentümlichen Chorgesangs-Intro des einprägsamen und zugleich phantastischen “Tanz der Vampire“-Soundtracks des jazz-inspirierten Komponisten Krzysztof Komeda (“Rosemaries Baby“). Das geht ja schon mal gut los, oder?
Knoblauch schadet der Libido und Windmühlen gibt’s hier nicht
Professor Abronsius (Jack MacGowran) ist vom Pech verfolgt. Erst verliert der betagte, krummbeinige Vampirforscher seinen Lehrstuhl an der Königsberger Universität, da seine Kollegen die wilden Theorien über die mögliche Existenz von Blutsaugern verlachen und dann erfriert der unverstandene Wissenschaftler auch noch beinahe, als er aus Frust eine Expedition ins winterliche Transsylvanien unternimmt. Mit dabei, sein getreuer, liebenswert vertrottelter Assistent Alfred (Roman Polanski), der sich nur beim bloßen Gedanken an Vampire die langen Unterhöschen nass macht. Genau das macht das Publikum ebenfalls, allerdings aus anderen Gründen, denn bei der folgenden Geschichte bleibt kein Auge trocken. Nachdem der Professor im transsylvanischen Gasthaus der Familie Shagal zwischen schnapsnasigen Einheimischen, einer vollbusigen Magd und reichlich Knoblauchzöpfen wieder aufgetaut wird, erwecken Letztere natürlich sofort das Interesse des Gelehrten. Jeder gebildete Vampirologe erahnt beim Anblick einer ungewöhnlichen Anzahl dieser Gewürzknollen selbstverständlich, dass blutsaugende Nachtschwärmer nicht weit sein können! Auf sein Nachfragen, ob sich vielleicht ein Schloss in der Nähe befinden würde, reagiert der Wirt auffällig „unauffällig“ und faselt über nicht vorhandene Windmühlen, was das Misstrauen des Professors schürt. Nicht zuletzt das Auftauchen des buckligen Koukol verleiht Ambronsius die Gewissheit, dass es in der Nähe Vampire geben muss – also versucht er daraufhin, diese ausfindig zu machen.
Komm in meine Badewanne
Alfred dagegen, richtet seine volle Aufmerksamkeit auf ein ganz anderes Objekt der Begierde. Sarah (Sharon Tate), die sirenenhaft schöne Tochter der Shagals, und ihre unwiderstehliche Badesucht haben es ihm angetan. Die Zuneigung zu der rothaarigen Wirtstochter wächst bei Alfred zu einem zarten Pflänzchen der Liebe heran, doch dann passiert das Unfassbare. Sarah wird von einem Vampir, natürlich während des alltäglichen Bads, effektvoll schaumspritzend entführt. Einzig eine Blutspur bleibt auf den reinweißen Blubberblässchen zurück. Alfred ist entsetzt und der Professor entzückt… nun hat er eine handfeste Spur! Nachdem aber auch noch der Wirt, der sich in seinem Kummer rettend auf den Weg zum Schloss macht, als ausgesaugtes Opfer zurückkehrt und sich nach alter Manier erstmal über die hübsche Magd hermacht, brechen die unerschrockenen Vampirjäger auf, um der Sache auf den Grund zu gehen.
Besser Fledermäuse auf dem Dach als Engel im Zimmer
Es dauert nicht lange und sie befinden sich im Schloss des Grafen Krolock (Ferdy Mayne) und seiner Tochter… ups, Pardon… seinem Sohn Herbert, welcher sofort ein Auge auf den armen Alfred wirft. Den Graf dagegen fasziniert die Möglichkeit des geistigen Austauschs mit Professor Ambronsius, da es in der transsylvanischen Einöde zum Leid des Grafen nicht viel Gehirnzellen-Anregendes für einen gebildeten Aristokraten seiner Güte gibt. Die Adligen geben zwar anfangs ihr kleines Geheimnis der Vorliebe für Blut nicht preis, aber für den Professor ist es selbstverständlich nur eine Frage der Zeit, bis diese Maske fallen gelassen wird. Als der schützende Tag hereinbricht machen sich die beiden Gäste auf die Suche nach der Gruft und tappen dabei von einem Missgeschick in das andere. Nur so viel: Vampire werden dabei jedenfalls nicht erlegt. Alfred findet zumindest seine Sarah wieder, die sich so gar nicht auf die Flucht begeben will und sich schon auf den großen Ball freut. Genau das ist auch das Stichwort zum Auftakt für das grandiose finale Spektakel, bei dem die Vampire tanzen und ein Happy End wahrscheinlich ist… oder vielleicht doch nicht?
Ein Geniestreich aus der Flower Power Gruft
Roman Polanski (“Rosemaries Baby“, “Frantic“, “Der Pianist“), nicht nur Protagonist, sondern auch gleichzeitig Drehbuchautor und Regisseur dieses wundervollen komödiantischen Vampir-Klassikers von 1967, greift absolut jedes Klischee auf und setzt es in Lachmuskel attakierende Komik um. Die erdachten Figuren seiner liebevoll inszenierten Persiflage auf das Horrorfilm-Genre wirken nicht oberflächlich und steif, auch wenn man eigentlich kaum etwas über sie erfährt, sondern warm, urkomisch und lebendig. Der Zuschauer erfreut sich an gekonnten Slapstick- Einlagen vom Feinsten, bei denen keine Nummer in die Plattheit abrutscht. Wunderbare Kulissen, die zwar als solche erkennbar sind, aber der “gruseligen Stimmung“ keinen Abbruch tun, und prachtvolle Ausstattung verwöhnen in ihrer bunten Vielfalt das Auge. Sie verleihen der hervorragenden Spielkunst der Akteure das i-Tüpfelchen, wie das Topping auf einer bunten, leckeren Eistüte und genau wie eine solche, kann man sich diese Gruselkomödie mit ausreichend Abstand immer wieder zu Gemüte führen.
Fazit
Man könnte “Tanz der Vampire“, auch wenn der folgende Begriff schon etwas abgedroschen klingt, als absoluten Oberkult bezeichnen, denn das stellt dieser alte Prunk-Schinken der Filmkunst, auch noch im 21.Jahrhundert dar – und das nicht nur für Vampir-Liebhaber. Dieser bedarf keiner synthetische Computer-Action, keinem blutspritzenden und Dickdarm schwingenden Killer. Als begeisterter “Tanz der Vampire“ Zuschauer braucht man nur Spaß an der Freude, eine Packung Kleenex für die Lachtränen, die Mitternachtsstunde für die Stimmung und los kann’s gehen. Zu empfehlen wäre besonders die englische Originalfassung, da in der deutschen Synchronfassung gewisse Fehler unterliefen, über deren Ursache man wild spekulieren könnte, aber Tatsache ist, dass bei Polanski ein Kreuz beispielsweise nur gegen ehemals christlich gläubige Blutsauger hilft und nicht gegen vorhergehend jüdische Vampire. Zusätzlich sollte man ruhig anmerken, dass der Film nur kleinere Schockelemente bietet und, für einen Vampir-Streifen ganz und gar untypisch, mit einigen wenigen Spritzern Kunstblut auskommt, so dass dieser durchaus für kleine Vampirfans geeignet ist.
Die Vampire tanzen wieder – das Grusical
Während Michael Kunze in den 90ern für die Texte zuständig ist, schreibt Song- und Musical-Komponist Jim Steinman (u.a. Meat Loaf, Bonnie Tyler) die berauschende Musik zum deutschsprachigen Erfolgsmusical “Tanz der Vampire“, das 1997 in Wien uraufgeführt wird. Unter der Regie von Roman Polanski entsteht ein musikalisch pompöses Rock-Pop-Bühnenstück, welches mit einem minimalistischen, jedoch trotzdem beeindruckend durchdachten und faszinierendem Bühnenbild aufwartet. Das Musical basiert auf dem Film von 1967, wird aber an vielen Stellen noch mit Feinheiten ergänzt, auf die besonders Roman Polanski viel Wert legt. Beispielsweise wird bei Familie Shagal (im Musical “Chagal“) der jüdische Glaube liebevoll hervorgehoben, die Romanze zwischen Alfred und Sarah besonders betont und die Vampire mehr oder weniger als erotische Verführer dargestellt, auf deren Libido der Knoblauch sehr abstoßend wirken muss. 2008 macht das Musical nach 1 ½ Jahren Spielzeit im Berliner Theater des Westens eine achtmonatige Pause und feiert im November des gleichen Jahres die Premiere in Oberhausen.
Wunderbare Sharon
Sharon Tate gelingt 1967 mit “Tanz der Vampire“ ihr internationaler Durchbruch. Roman Polanski und die texanische Venus kommen sich im Laufe der Dreharbeiten näher, so dass 1968 nach einer Zeit der “wilden Ehe“ auch geheiratet wird. Sharon Tate gilt als Stil-Ikone der Swinging Sixties und ist Lieblingsobjekt der Fotografen und Modemacher. Auch die Klatschpresse findet immer wieder Gefallen am ungleichen Ehepaar Tate/Polanski. Doch keiner ahnt zu diesem Zeitpunkt welche Tragödie sich nur ein Jahr später um Sharon abspielen wird, welche zudem 1969 freudig ihr erstes Kind erwartet. Die Schauspielerin, ihr ungeborenes Kind und sechs weitere unschuldige Menschen werden Opfer eines der vielen grausamen Massaker der Charles Manson Family, welche zu dieser Zeit die Welt erschüttern. Dieses tragische Ende erschuf einen Mythos um die Schauspielerin, der leider die Seite der talentierten Darstellerin (1967 wurde sie für “Das Tal der Puppen“ für den Golden Globe Award als beste Nachwuchsdarstellerin nominiert) und die der intelligenten modernen Frau mit einem traurigem Schatten überdeckt. In “Tanz der Vampire“ kann man sich mit einem Lächeln an die Komödiantin Sharon Tate erinnern. Vermutlich würde sie sich daran erfreuen, dass sie auch noch über 40 Jahre später die Menschen zu begeistern vermag und damit unvergessen bleibt, wo immer sie jetzt auch ist…
Text: Cornelia Weidmann
Link zum Musical: