Amnesia – The Dark Descent

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2010 | Amnesia – The Dark Descent | PC, Mac | USK ab 18

amnesia-coverObwohl sich Horrorfans zum Glück nicht über Spielemangel beklagen können, haben Blockbuster wie „Dead Space“ oder „Left for Dead“ meist einen entscheidenden Nachteil: Sie sind blutig und brutal, mit psychologischem Grusel haben sie jedoch wenig gemein. In diese Bresche springt der Schocker „Amnesia“, der Dich mit seinem Psychoterror ganz schnell vom gestandenen Horrorfan in ein wimmerndes Kleinkind verwandelt. Ein atmosphärisches Meisterwerk, das Du unbedingt gespielt haben musst.

Protagonist Daniel erwacht auf dem kalten Steinfußboden eines alten Schlosses und hat keine Ahnung, wie er dort hingelangt ist. Der Gute kann sich lediglich an seinen Namen erinnern und fühlt unterschwellig, dass ihm irgendetwas Schreckliches auf den Fersen ist. Als er benommen seine Umgebung erkundet, findet er einen Zettel, den er sich selbst geschrieben hat: Daniel hat sein Gedächtnis absichtlich mit einem Trank ausgelöscht und fordert sich nun auf, einen Gewissen Alexander von Brennenburg zu finden und zu töten. Warum Du diesen drastischen Schritt gehen sollst und warum es der Held vorgezogen hat, sich lieber die Festplatte im Schädel zu formatieren, erfährst Du im Laufe des Spiels über hervorragend vertonte Rückblenden.

spurIn Ego-Perspektive steuerst Du die Hauptfigur durch das alte Gemäuer und dringst immer tiefer hinab in eine bedrohliche Welt aus Angst und Terror, die auch Dir bald einiges abverlangen wird. Schon von Beginn an wird klar, dass die Macher ganz viel Wert auf ein eindringliches und ungewöhnliches Spielerlebnis legen. Daniels seelischer Zustand ist nämlich nicht der Beste, was auch Dich als Spieler in Mitleidenschaft zieht. Bewegt sich der Held nämlich zu lange in der Dunkelheit oder fühlt er die bedrohliche Aura eines Gegners, überträgt sich das eindrucksvoll auf die Umgebung. Daniel fängt an, zitternd zu atmen, was sofort Unbehagen und eine innere Unruhe hervorruft. Dazu kommt, dass auch seine Sicht zunehmend verschwimmt und die Steuerung immer schwammiger wird. Irgendwann kannst Du das einfach nicht mehr ignorieren und musst Daniel mit einer Dosis Laternen- oder Kerzenlicht auf Normalzustand bringen. Eine eindrucksvoller Kniff, der Dich schnell mit der Hauptfigur mitleiden lässt.

Horror zum Anfassen

Auch die Steuerung trägt enorm zur Atmosphäre bei. Um Schubladen zu öffnen oder Gegenstände zu bewegen, klickst Du nicht einfach nur darauf, sondern führst vielmehr die Bewegung mit der Maus aus. Um eine Tür zu öffnen, klickst Du sie beispielsweise an und ziehst die Maus dann zu Dir heran. Es ist, als hättest Du die olle Pforte tatsächlich in der Hand und kannst sie nun nach Herzenslust hin und her bewegen. Das fühlt sich nicht nur fantastisch an, es macht vor allem unheimlich Sinn. So kannst Du eine Tür nämlich später gaaaanz langsam öffnen, um vorsichtig in den nächsten Raum zu spicken. Das damit verbundene Herzklopfen hast Du so noch nicht erlebt, versprochen! Schließlich schafft es das Spiel relativ schnell, Dich mit seiner bedrückenden Stimmung regelrecht zu zermürben. Fahles Mondlicht, eine düstere Musikuntermalung und ein Haufen undefinierbarer Geräusche zerren gehörig an Deinem Nervenkostüm. Zudem gibt es immer wieder gut platzierte Schockeffekte, die Dich zusammenzucken lassen, wie Türen, die der Wind schlagartig aufstößt oder kleine Erschütterungen, die plötzlich einen Schrank umfallen lassen. Noch bevor das erste Monster überhaupt auftaucht, bist Du schon fix und fertig.

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Diese Biester sorgen dann regelmäßig für regelrechte Panikattacken, denn sie sind viel zu stark, um sie irgendwie anzugreifen. Daniel bleibt nur die Möglichkeit, sich zu verstecken und das Beste zu hoffen. Und besonders diese Szenen, in denen Du irgendwo in einer schmierigen Vorratskammer hinter verschimmelten Schweinehälften hockst und hilflos mit ansehen musst, wie ein schauriger Zombie durch die Tür bricht, werden Dich mit aufgestellten Nackenhaaren in Deine Tastatur krallen lassen. Hier kann sich das Spiel tatsächlich rühmen, sämtliche Gruselstreifen der Filmgeschichte mühelos in die Tasche zu stecken. Manchmal musst Du wirklich eine Pause einlegen, weil Dich die permanente Bedrohung einfach an Deine Grenzen treibt. Ein unvergessliches Erlebnis!

Rätselhafte Ereignisse

rohreDer unheimliche Abstieg in die schrecklichen Tiefen von Schloss Brennenburg wird von kleinen Rätseln aufgelockert, die meist aus dem Sammeln von Gegenständen oder dem Bedienen von Maschinen bestehen. Hier hat sich der schwedischen Entwickler „Frictional Games“ große Mühe gegeben, den Spieler zu unterhalten, statt ihn zu frustrieren. Überkomplexe Apparaturen wie im Rätselklassiker „Myst“ gibt es zum Glück keine, so dass die Geschichte stets im Fluss bleibt. Auch setzt das Spiel durchgehend selbständig seine Speicherpunkte – und zwar so fair, dass an keiner Stelle Unmut aufkommt. Hier merkt man, wie erfahren das kleine Studio inzwischen ist, das schon mit der „Penumbra„-Reihe ein paar Jahre zuvor einen echten Grusel-Geheimtipp abgeliefert hat.

Einen Wermutstropfen hat das Spiel allerdings: Es ist zur Zeit nur per Download verfügbar, die Disc-Version lässt leider noch auf sich warten. Der geringe Preis von 15 Euro für dieses vollwertige Spiel entschädigt aber schnell für die kleine Unannehmlichkeit. Sofern Du kein 56k-Modem besitzt, solltest Du Dir „Amnesia“ auf der Stelle hier saugen. Eine kleine feine Demo findest Du dort auch.

Eine typische Paniksituation in Bildern


Text: S. Werner

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