Kindergeburtstag mit Blut: Alice Coopers „Welcome 2 My Nightmare“

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Heute ist es soweit. Heute erscheint das neue Album der coolsten Trümmertunte des Schockrock: Alice Cooper. Ein Album auf das die Fans mehr als 28 Jahre warten mussten.

Solange ist es bereits her, dass Erfolgsproduzent Bob Ezrin (u.a. „The Wall“) mit dem Flop-Album „Dada“ (1983) das letzte Mal mit Alice Cooper zusammenarbeitete. Damals war Alice Cooper auf dem kommerziellen Tiefpunkt seiner Karriere. Aber noch weitere zehn Jahre zuvor haute das Dream-Team Ezrin/Cooper von 1970–1975 im Jahresabstand einen Rockklassiker nach dem anderen heraus, darunter Meilensteine und Bestseller wie „School’s Out“, „Killer“ und „Billion Dollar Babies“. Mit „Welcome To My Nightmare“ fand die äußerst fruchtbare Beziehung ihren vorläufigen künstlerischen und kommerziellen Höhepunkt. Jetzt, 35 Jahre später, sind sie wieder da.

Und weil man im Rockzirkus gerne auf Nummer sicher geht und nur zu gern an die glorreichen Tage anknüpfen möchte, heißt das Ergebnis der neuen Kollaboration, die allen alten Alice Cooper-Fans die Tränen in die Augen treibt, etwas abgeschmackt dann auch „Welcome 2 My Nightmare“ – also „Welcome To My Nightmare – Teil2″…




Wenn alte Männer nochmal Spaß haben


Ein Klassiker der Rockgeschichte wird das neue Album wohl nicht werden und auch die Verkaufszahlen werden kaum an seinen berühmten Vorgänger heranreichen, aber eines lässt sich mit Sicherheit sagen: „Welcome 2 My Nightmare“ ist das wohl unterhaltsamste und unbeschwerteste Alice Cooper-Album seit langem. Eine bunte Schatztruhe voll mit skurrilen Obskuritäten, ganz nach dem Motto: Wenn alte Männer noch mal Spaß haben wollen.

So überrascht „Last Man On Earth“ mit einem fröhlich-amtlichen, südamerikanischen Brass-Sound, der jedem Tim Burton-Film gut zu Gehör stehen würde. Wer hätte gedacht, dass sich der alte Cooper mal von einer Tuba begleiten lassen würde?! Der, nach Meinung des Kürbiskönigs, mit Abstand beste Song des Albums! Und ein gottverdammter Klassiker, wenn sich die Welt mal den Stock aus dem Arsch ziehen würde. Weiter geht es drei Songs später mit dem „Disco Bloodbath Boogie Fever!“, der klingt, als würde sich der Horror-Altmeister vor den Pet Shop Boys verbeugen. Cheesiger Eurodance-Style mit Männerchören, tanzenden Skeletten, und Alice Cooper rappt in Grandmaster Flash-Manier dazu. Selten hat der Kürbiskönig so gelacht. Aber damit nicht genug: Als letzte Karte der Absonderlichkeiten spielt der fröhliche alte Mann mit der verlaufenen Schminke ein Duett mit der Disco-Dance-Schlampe Ke$ha, die dem traditionellen Alice Cooper-Fan sicherlich nicht durch ihren Hit „Tik Tok“ bekannt ist. Und was soll man sagen? Der Song hat ordentlich Bumms und klingt, als würde Alice Cooper auf dem Gitarrenriff von Michael Jacksons „Beat It“ einen frühen Britney Spears-Song covern. Der Song „What Baby Wants“ ist definitiv großes Kino und wird vom Kürbiskönig gleich mal als zweitbester Song des Albums gekürt.



Der lakonische Humor und die Sorglosigkeit im Umgang mit musikalischen Grenzen war schon immer ein Markenzeichen Coopers und bewahrte ihn davor, auch in den tiefsten und musikalisch belanglosesten Zeiten in die totale Bedeutungslosigkeit abzustürzen – wenn auch für den traditionell eher etwas biederen und unlockeren Rock- und Metalfan nicht immer nachvollziehbar. Für den ist auch das neue Album wohl eher schwierige Kost, was das Album wohl davor bewahren wird, kommerziell durch die Decke zu gehen. Aber alle, die gerne mal auf eine Party des verrückten Hutmachers gehen wollen, sind hier genau richtig. Das ist das Tolle am Alter: Man muss niemandem mehr etwas beweisen.



Alice Cooper – I’ll Bite Your Face Off von universalmusicdeutschland


Bob Ezrin macht, wie nicht anders zu erwarten, einen amtlichen, fetten Sound, steuert ein paar schöne akustische Gimmicks bei und ist bei vielen Songs als Co-Autor beteiligt. Auch ansonsten macht die Platte den Eindruck eines fröhlichen Klassentreffens. Bei zwei Songs ist der komplette verbliebene Rest der alten Cooper-Gang zu hören. Ein Grund mehr, alten Cooper-Fans die Tränen in die Augen zu treiben. Steve Hunter, Kip Winger und Rob Zombie sind weitere prominente Albumgäste.

Natürlich gibt es auch den einen oder anderen Totalausfall zu vermelden und der Kürbiskönig ist der Meinung, dass auf die 70 (!) zugehende, alte Männer nicht mehr unerträglich kitschige Balladen singen sollten, bei denen jede Zeile mit dem Wort „Baby“ anfängt. Und den letzten Song, eine Art Instrumental-Medley alter Cooper-Klassiker aus der „Nightmare“-Zeit (verbunden durch Richard Claydermann-artige Keyboardpassagen), hätte man sich wirklich getrost sparen können.

Aber alles in allem ein recht spaßiger Albtraum und eine Platte, wie eine Alice Cooper-Show: Kindergeburtstag mit Blut mit einem Alice Cooper, der sich auf seinen letzten Tagen noch zum verrückten Hutmacher mausert. Konfetti, Böllerschüsse, singende Totenköpfe, Luftballons und viel Blut! Welcome To My Nightmare!




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