Gruselkabinett

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Autor: Marc Gruppe
Genre:
Klassischer Grusel

Schaurig schwer liegt der nächtliche Nebel in den Gassen Londons. Tief gebückt, nichts Gutes ahnen lassend, schleicht schlurfend eine dunkle Gestalt durch das verrufene Viertel. Vorbei an dem alten, verlassenen Haus, in dem es seit jenen tragischen Vorfällen niemand länger als eine Nacht ausgehalten hat. Da ertönt aus dem mittlerweile undurchdringlichen Nebel ein entsetzlicher Schrei.

Das Hörspiel-Label Titania Medien meint es ernst mit der Gänsehaut. Keine trashigen Dämonenjäger, die sich mit flotten Sprüchen durch ihre Abenteuer kalauern oder endlos überbordende, vertrackte Storykonstrukte, denen der Hörer spätestens nach der 10 Folge mit einem hilflosen und vor allem interessenlosen Schulterzucken den Rücken kehrt. Hier kämpfen die Getriebenen, die Ausgelieferten mit einer Welt, die sie nicht verstehen. Die, ob selbst verschuldet oder nicht, über sie hineinbricht, nicht mehr loslässt und sie meist anschließend als gebrochene Menschen zurücklässt. Falls sie sie zurück lässt.


In der Serie “Gruselkabinett“ adaptiert der Hörspiel-Verlag Titania Medien, welcher in den Jahren 2004 -2006 mit dem Hörspiel-Award als bestes Label ausgezeichnet wird, die Klassiker der altmodischen Schauerliteratur als aufwendige und atmosphärische Hörspiele. Und das völlig ironiefrei. Bei der Auswahl der adaptieren Werke legt das Label dabei eine erfrischende Vielfalt an den Tag.

Natürlich kommen auch sie nicht um die Adaption der üblichen Verdächtigen wie Dracula und Frankenstein herum. Wenn man diese aber beiseite lässt, kann man zahlreiche wirklich furchterregende und wenig bekannte Kleinode des Schreckens wie “Die obere Koje“ von Francis Marion Crawford entdecken. Oder stößt auf fast unhörbare Trashperlen wie Bram Stokers (der ja außer Dracula faktisch nichts Lesenswertes zu Papier brachte) “Weißen Lindwurm“ oder typische Vertreter des fast vergessenen gotischen Schauerromans, in denen brave Geistliche erotischen Dämonen verfallen. Sehr gruselig und empfehlenswert auch viele der Lovecraft-Adaptionen wie “Der Tempel“. Aufgelockert wird die Serie durch fast parodistische Beiträge, wie Janes Austens “Northanger Abbey“ oder auch Oscar Wildes wundervolles “Das Gespenst von Canterville“.


Bei mittlerweile über 50 Folgen sind natürlich nicht alle Folgen gleich gut und nicht selten schlingert man, wie es bei vielen der alten Schauerromane üblich ist, nur knapp an unfreiwilliger Komik vorbei. Allerdings zeichnet die Serie aus, dass auch noch die schwächsten Folgen mit hervorragenden Sprechern – oft Synchronsprecher bekannter Hollywood-Schauspieler – besetzt sind. Für das wundervoll kitschig-nostalgische Artwork (ein weiterer großer Pluspunkt der Serie) zeichnet sich der umtriebige Firuz Askin verantwortlich.

Am stärksten ist das “Gruselkabinett“ immer dann, wenn dieses es schafft, den Hörer teilweise mit fast bereits wieder vergessenen Geschichten das Gruseln zu lehren. Oft muss man sich die Zeit dafür nehmen, denn die alten Geschichten tun es auch. Aber wenn man es zulässt, dann kann es passieren, dass man plötzlich eine Gänsehaut bekommt und sich nicht ganz sicher ist, ob es nicht gerade kälter im Raum geworden ist. Und dann macht man das Licht doch lieber noch etwas heller.


Für alle Neueinsteiger empfiehlt Halloween.de folgende Folgen:

Folge 6: Edward Bulwer-Lytton – Das verfluchte Haus
Folge 9: Shirley Jackson – Spuk im Hill House
Folge 27: Robert Louis Stevenson – Der Leichendieb
Folge 31: Rudyard Kipling – Die Gespenster-Rikscha
Folge 34: Francis Marion Crawford – Die obere Koje
Folge 38: Hanns Heinz Ewers – Die Spinne
Folge 42: E.T.A. Hoffmann – Der Sandmann

Und Titania Medien empfiehlt der Kürbiskönig für das Gruselkabinett: „Der Spuk im Pfarrhaus zu Cleversulzbach“ von Eduard Mörike und natürlich die „Geschichte vom Gespensterschiff“ von Wilhelm Hauff

Links:

Titania Medien


 
Text: A.Hartung

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