Für den Kürbiskönig ist es schwer vorstellbar, aber es gibt Menschen, deren liebstes Fest im Jahr Weihnachten ist. Die nichts dagegen hätten, wenn der Weihnachtsbaum das ganze Jahr geschmückt bliebe und zu jeder Jahreszeit lieblicher Lebkuchenduft durch den Raum schwebte. Diese Menschen nennt man Kinder. Aber es gibt auch den einen oder anderen Erwachsenen, der in einem ungesunden Übermaß mit weihnachtlicher Leidenschaft gesegnet ist. Meistens sind das Menschen, die, um es mal vorsichtig auszudrücken, nicht ganz rund laufen. Bei denen man den Eindruck hat, dass sie jeden Moment beginnen, Fliegen von der Wand zu essen. Also niemand, dem man seine Kinder mal zur Aufsicht überlassen würde.
Ein Mensch dieser Art ist … Bing. Ein jemand, der es nie ganz verwunden hat, dass er als Teenager seinen Vater einen Schraubenzieher in den Kopf steckte. Nun kann er sich nichts Schöneres vorstellen, als für Mr. Charlie Manx zu arbeiten. Charlie Manx ist der Chef vom Christmasland. Dort ist jeden Tag Weihnachten. Bing weiß nicht genau, wo das liegt, aber es ist der schönste Ort der Welt. Wenn er Mr. Manx hilft, möglichst viele Kinder ins Christmasland zu bringen, dann darf er eines Tages selbst dort hin. Das ist sein größter Traum. Also setzt er sich die alte Gasmaske seines Vaters auf und befreit mittels eines nach Lebkuchen duftenden Betäubungssprays die Kinder. Denn diese müssen befreit werden. Auch wenn die schreienden Eltern teilweise gar nicht den Eindruck machen, als würden sie ihre Kinder misshandeln oder auf den Strich schicken. Aber wenn nicht jetzt, dann tun sie es später. Mr. Manx hat es Bing erklärt. Die Kinder fahren dann mit Mr. Manx und seinem alten Rolls Royce ins Christmasland. Auf dem Nummernschild steht NOS4A2. Nosferatu. Ein dezenter Hinweis darauf, was denjenigen erwartet, der in vorweihnachtlicher Freude in das Autos steigt.
Lob von Neil Gaiman
Joe Hill ist kein gewöhnlicher Horror-Autor. Auf der Rückseite seines neuen Buches “Christmasland“ preist ihn niemand Geringere als Neil Gaiman. Und das passt. Denn ähnlich wie bei Gaiman, gibt es bei Joe Hill keine fauligen Monster, die aus dem Grab entsteigen oder einfach Serienkiller. Kein weises Buch verrät, welchen Spruch man aufsagen muss, um das Monster zu bannen. Weihwasser und Silberkugeln sind nutzlos. Seine Figuren haben wie bei Gaiman eine unerklärliche, groteske, mystische Komponente, die sich in unsere – normale – Realität hineindreht und dabei so tut, als wäre das ihr gutes Recht und als wäre sie schon immer da gewesen. Vielleicht war sie das auch. Das gibt der Geschichte bei aller Spannung und Brutalität eine Originalität und Poesie, die anderen Veröffentlichungen dieser Art meistens fehlt.
Alles hat seinen Preis
Da ist zum Beispiel diese Mädchen … Vicky. Sie kann Dinge finden. Sie stellt sich vor, was sie finden will – zum Beispiel den verlorenen Armreifen ihrer Mutter – dann fährt sie los mit ihrem Fahrrad, durch den Wald bis zu einer überdachten Brücke, die es bereits seit Jahren nicht mehr gibt. Aber wenn Vicky etwas finden will, dann ist die Brücke wieder da. Sie fährt durch sie hindurch und am anderen Ende kommt sie dort heraus, wo die Dinge sind, die sie sucht. Eines Tages, als sie schon älter ist, kommt sie am Haus von Charlie Manx heraus. Vermutlich war sie auf der Suche nach Ärger. Sie bekommt ihn. Sie kann ihm mit Mühe und Not entkommen. Charlie Manx wird überwältigt, ins Gefängnis gesteckt und stirbt. Aber kann jemand, wie Charlie Manx sterben? Jemand der dunkle Fähigkeiten hat. Der besondere Wege gehen kann. Bing wartet geduldig auf seine Rückkehr. Und wenn er kommt, werden sie sich erstmal um die Schlampe kümmern, die Mr. Manx ins Gefängnis gebracht hat. Kurz bevor er ihn, Bing, mit ins Christmasland nehmen konnte. Sie werden ihren Sohn befreien.
Joe Hill geht nicht gerade zimperlich mit seinen Figuren um. Begegnet der Leser Vicky am Beginn des Buches noch als kleines Mädchen mit besonderen Fähigkeiten, “reift“ sie im Laufe des Buches zu einer gebrochenen Frau mit einer schwierigen Biografie. Psychosen und Alkoholsucht inklusive. Erst als Charlie Manx ihren Sohn holt, stellt sie sich den Erlebnissen aus der Vergangenheit. Dabei schreibt er zwar keine große Literatur, aber mit seinem großen Vater kann er schon lange mithalten. Das Buch ist im Heyne Verlag erschienen.
Bilder: Alle schwarzweißen Illustrationen wurden der deutschen Ausgabe von Christmasland (Heyne) entnommen. Das Porträt von Joe Hill stammt von seiner Webseite.
Verlosung
Wir verlosen 3 Exemplare von Joe Hills Weihnachts-Psycho-Fantasy-Thriller. Um an der Verlosung teilzunehmen, beantworte einfach folgende Frage:
Joe Hill hat sich auch einen Namen als Comic-Autor gemacht. Wie heißt seine mehrfach preisgekrönte Serie, für die er u.a. den Eisner Award als bester Comicautor gewann?
Das Gewinnspiel ist beendet, vielen Dank für Eure Teilnahme! Die richtige Antwort lautet natürlich “Locke & Key”! Die Gewinner werden schriftlich von uns benachrichtigt, allen anderen drücken wir für das nächste Mal die Daumen!
Links
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Deutsche Fanseite über Joe Hill
Christmasland