Gibt es noch Hexen? – Fragen Sie Dr. Kürbis

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Die Frage:

Lieber Dr. Kürbis,

Gibt es noch Hexen?

Dein Heiko

 


 

Die Antwort:

Hallo Heiko!

Heute will ich nun den zweiten Teil Deiner Frage beantworten (zum 1.Teil – „Wie endete die Hexenverfolgung?“ – siehe hier). Sie lautete: Gibt es noch Hexen?

Wer oder was ist eine Hexe?

Um deiner Frage „Gibt es noch Hexen?“ nachzugehen, ist zunächst wichtig zu klären Wer oder was eine Hexe ist. Das historische Hexenbild, in dem Sinne, wie wir es heute verstehen, hat sich erst am Ende des späten Mittelalters ausgebildet. Damals versuchten verschiedene Theologen, dem Hexenglauben einen einheitlichen theoretischen Überbau zu verpassen und diesen in Einklang mit christlichen Weltvorstellungen zu bringen. Besonders prägend dafür war unter anderem der legendäre „Hexenhammer“ von Heinrich Kramer (Institoris).

Die offizielle christliche Lehrmeinung lautete bis dahin noch, dass Hexenflüge und Verwandlungen nur im Traum stattfanden, also keine realen Erlebnisse repräsentierten. Davon abweichend deutete Heinrich Kramer von die Geschehnisse als real. Eine Verwandlung fand nunmehr nicht nur in der Vorstellung statt, sondern wurde zu einem physischen Vorgang, der von Dämonen ausgelöst wurde. Allerdings hielten sich die Dämonen dabei an die von Gott gegebenen Naturgesetze. Sie erschufen nicht neu, sondern veränderten lediglich – eine Art chemische Umwandlung. Diese feine Unterscheidung war wichtig für Kramer, um nicht Gottes Allmacht anzuzweifeln, ohne dessen Einwilligung nichts auf dieser Welt geschieht – und nicht selbst der Häresie (Ketzerei) beschuldigt zu werden.

Im Großen und Ganzen wurde eine Hexe zur Blütezeit der Hexenverfolgung dadurch definiert, dass sie Schadenszauber (Maleficium) bewirkt. Zu diesem Zweck musste sie mit einem Dämonen oder dem Teufel einen Pakt eingehen. Der Schadenszauber wurde dann durch den Dämonen bewirkt, während die Hexe nur das ausführende Organ war. Dieser Vorgang geschah mit Gottes Einwilligung. Das Ganze ist natürlich noch reichhaltig garniert mit allerlei sexuellen Anzüglichkeiten.

Übrigens gab es tatsächlich Menschen, die sich dem Teufelskult verschrieben – die stetige Warnung vor dem Teufel trieb seltsame gegenteilige Blüten. Die Menschen der Neuzeit lebten in einem Zeitalter des Umbruchs und der Katastrophen. Seit der Kirchenspaltungwar nicht mal mehr die Religion einheitlich – vom Weltbild ganz zu schweigen. In dieser Zeit der Unsicherheiten sollen ganze Dorfgemeinschaften bewusst auf die Seite des Teufels und der Hexerei übergetreten sein – einfach aus dem Grund, weil das ihnen die einzige verbleibende mächtige Konstante zu sein schien.

Hexen waren zum überwiegenden Teil Frauen, auch wenn es durchaus männliche Hexen gab. Die Anschuldigen der Hexerei kamen zum großen Teil aus der Bevölkerung. Dabei handelte es sich aber nur selten um alte alleinstehende Frauen. Da die Anzeigen anonym erstattet werden konnten, waren auch gut betuchte Nachbarn, denen es besser ging als einem selbst, beliebte Zielscheiben für Beschuldigungen. Die Prozesse und Urteile wurden meist von weltlichen Gerichten absolviert, die sich des kirchlichen Inquistionsverfahrens bedienten.

Märchenhexen & weise Frauen – das Hexenbild verändert sich

Das deutsche Wort „Hexe“ ist seit dem frühen 15. Jahrhundert gebräuchlich. Allerdings wurde die Vorstellungen von Hexen nun zunehmend von Märchengeschichten und den dazugehörigen Illustrationen geprägt. Hexen stellte man sich nun als alte knorrige Vetteln vor, die mit einem Raben (oder einer Katze) auf der Schulter in einem Häuschen im Wald wohnten und kleine Kinder fraßen. Nur das Ausreiten auf einem Besen erinnerte noch an die mittelalterlichen Hexen.

„Da ging auf einmal die Türe auf, und eine steinalte Frau, die sich auf eine Krücke stützte, kam heraus geschlichen. Hänsel und Gretel erschraken so gewaltig, daß sie fallen ließen, was sie in den Händen hielten. Die Alte aber wackelte mit dem Kopfe und sprach: »Ei, ihr lieben Kinder, wer hat euch hierher gebracht?«“

Mit den Beginn der neuheidnischen Strömungen erfolgte im 19. Jahrhundert eine Umdeutung der historischen Hexen. Einer der ersten, der eine Hexenreligion als eine überlebende alte heidnische Tradition definierte, war der französische Historiker Jules Michelet.

Gibt es noch Hexen?

Bei den von der Hexenverfolgung betroffenen Personen soll es sich demnach überwiegend um sogenannte „weise Frauen“ gehandelt haben, deren uraltes Geheimwissen und Verhütungspraktiken den Kirchen und dem Staat ein Dorn im Auge gewesen waren und die sie nun mittels gezielter Massenverfolgung ausrotten wollten. So vertrat die Ägyptologin Margaret Alice Murray in ihrem 1921 erschienenem Text “Der Hexen-Kult in Westeuropa“ die These von einem Jahrhunderte andauerndem heidnischen Widerstand, der im Untergrund agierte. Den Nazis kam diese Deutung durchaus recht, konnten sie doch so die Hexen als Bewahrer von uralter germanischer Tradition präsentieren. Noch einmal sehr populär wurde die Vorstellung von den „weisen Frauen“ in Deutschland durch das Buch “Die Vernichtung der weisen Frauen“ von Gunnar Heinsohn & Otto Steiger. Historisch gelten diese Thesen als rein spekulativ und widerlegt.

Eigentlich wäre das in diesem Text auch nicht erwähnenswert, wenn nicht u. a. diese Vorstellungen dazu geführt hätten, dass sich heute wieder viele Menschen – überwiegend Frauen (u.a. aus der feministischen Bewegung in den Siebzigern) – selbst als Hexen bezeichnen und sich in einer (tatsächlichen oder romantisch konstruierten) Tradition sehen. Der Begriff „Hexe“ wurde zunehmend romantisch positiv verstanden. So bezeichnen sich viele Frauen, die sich mit Kräuterkunde und esoterischen Praktiken beschäftigen, gerne selbst als Hexen. Sie bieten ihre Dienste (incl. Liebes- und Schadenszauber) über das Internet an und präsentieren in ihrem Gästebuch die Kommentare begeisterter Kunden, bei denen die Ehefrau mittels erfolgreich praktizierter Liebeszauber zurückkehrte.

Besonders die Anhänger der sehr populären Wicca-Religion bezeichnen sich selbst als Hexen. Die Grenzen zur Popkultur sind dabei fließend. So hat sich auch dort das Hexenbild ganz klar gewandelt. Hexen werden nun meist als attraktive, junge, freche Frauen dargestellt, die mittels magischer Kräfte für das Gute eintreten.

Hexenverfolgung heute

Einen sehr viel ernsteren Hintergrund dagegen hat der Hexenglaube auch heute noch in vielen Staaten Afrikas, wo es nicht selten ist, dass für ein eingetretenes Unglück oder die Verschlechterung der Lebensumstände Frauen, die mit Dämonen im Bunde sein sollen, verantwortlich gemacht werden. Wie viele Opfer der aktuelle Hexenwahn in Afrika jährlich fordert, liegt im Dunkeln. Aber laut Wikipedia geht man davon aus, dass seit 1960 in Afrika mehr Menschen der Hexenverfolgung zum Opfer gefallen sind als während des ganzen europäischen Hexenwahns. Momentan versuchen einige afrikanischen Staaten, die Hexenverurteilung zu institutionalisieren, um die unkontrollierte Verfolgung einzuschränken. Nachrichten von auftretenden Hexenverfolgung und damit verbundenen Tötungen gibt es ebenfalls aus Asien und Indonesien. In Saudi-Arabien steht auf Hexerei und Zauberei die Todesstrafe. Vor allem die Fälle der sogenannten Hexenkinder – Kinder, die aufgrund von Vorwürfen der Hexerei oder der Besessenheit von einem Dämon auf der Straße ausgesetzt werden – gerieten in den letzten Jahren vermehrt in das Licht der Öffentlichkeit.

Fazit

Du siehst also, Heiko, auch heute noch gibt es Menschen, die als Hexen bezeichnet werden. Jedoch bezeichnen sich die einen in einem romantischen Naturbewusstsein selbst so, während woanders nach wie vor Menschen der Hexerei beschuldigt werden und dann um ihr Leben fürchten müssen.

Am Fenster meines Laboratoriums habe ich jedoch schon lange keine mehr vorbeifliegen sehen und auch auf dem Brocken trifft man vor allem Leute, die einem eine Bockwurst und eine Ansichtskarte verkaufen wollen.

Dein Kürbiskönig

 


Du hast auch ein Frage an Dr. Kürbis? Dann schreibe eine Mail an: frage@halloween.de


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